Heute können wir wieder einmal etwas länger schlafen. Unser Führer Deep holt uns pünktlich wie ein Schweizer Ührli um 09:30 ab, dann fahren wir auf einem Seitenast des Asian Highway 1 Richtung Jorhat. Wir kommen an riesigen Teeplantagen vorbei, die durch Akazien als Schattenspender und Regenschirme nach oben abgedeckt sind. Die Strasse ist zunächst sehr gut, vor Jorhat wird sie dann rumpliger.
Wir umfahren die Stadt auf der Nordseite bis zum Dhekiakhowa Bornamghar, einem Tempel im Assam-Stil. Das spezielle an dieser Art Tempel ist, dass es hier eigentlich keine der sonst üblichen Statuen gibt, sondern dass hier das heilige Buch verehrt wird, das im innersten des Tempels aufbewahrt wird. Hier brennt seit bereits fast 500 Jahren eine Öllampe, die natürlich sorgfältigst gepflegt wird. Bei unserer Ankunft sind die lauten Gebete in vollem Gang. Wir werden vom Administrator zu einem Tee eingeladen, erhalten einen traditionellen Schal umgehängt und tragen uns ins Gästebuch ein. Natürlich braucht es auch ein Erinnerungsfoto aus allen verfügbaren Kameras und Handys. In der Zwischenzeit sind die Gebete fertig und jetzt wird Essen an alle verteilt, auch wir bekommen davon. Im Wesentlichen gibt es ungekochte, im Wasser aufgequollene Linsen und Bohnensprossen mit Kokos-Stücken sowie gekochten Klebreis und einen süssen Knollen aus Milch und sonst irgendwas. In der Überzeugung, dass unsere Mägen gegen alles resistent sind, essen wir munter mit und nehmen den Rest wie alle andern in einem Plastiksack mit auf die Weiterreise. Beim Weggehen hechtet ein älterer Besucher aus seinem Auto, begrüsst uns überschwänglich und stellt uns Frau, Tochter und Enkelin vor. Dass wir aus Switzerland kommen, findet er absolut sensationell und natürlich machen wir auch hier ein Erinnerungsfoto.
Auf dem Weg zum Hotel fahren wir quer durch das Verkehrschaos von Jorhat und schlendern durch die Menschenmassen des lokalen Marktes. Da heute und morgen eines der drei grossen Festivals in Assam stattfindet (das Erntedankfest) sind alle auf den Beinen, um das Beste für das Festmahl einzukaufen. Fisch ist besonders wichtig, sodass es bei sehr vielen Händlern diesen in allen Arten und Grössen zu kaufen gibt. Je mehr er noch zappelt, umso besser (heisst frischer). Am anderen Ende der Skala findet sich der einsame Ladenhüter auf einer Plastikblache im Strassenstaub, der im warmen Nachmittagslicht von Fliegen umschwärmt ein Sonnenbad nimmt. Überall werden wir freundlich begrüsst. Man hat hier sichtlich Freude, Fremdlinge zu sehen, die ausserdem alles noch so Alltägliche mit der Kamera einfangen.
Unser Hotel etwas südlich der Stadt ist ein tolles Landhaus mitten im gar nichts. Es gehört einer Familie, die mit dem Teeanbau reich geworden ist. Sie ist schon vor etwa 20 Jahren nach Guwahati gezogen und hat in der Folge ihre schöne alte Villa in ein Gästehaus umgewandelt. Wir sind die einzigen Gäste heute und fühlen uns entsprechend königlich (nachdem wir bereits in der Kaziranga-Lodge im gleichen Bungalow wie die herzoglichen Kate und William gewohnt haben).