Schottland 2016
Freitag, 27.5.2016: Edinburgh - Crieff
Bei Nieselregen (wie könnte es anders sein) testet der Pilot bei der Landung das Fahrtwerk und siehe da: es hält trotz hartem Aufsetzen auf der Landebahn in Edinburgh.
Auf dem Weg Richtung Nordwesten passieren wir unzählige grüne Wiesen mit tausenden von Schafen. Auf dem Weg machen wir einen Halt in Stirling und besichtigen einen Teil der Altstadt und das imposante Schloss, das eine massgebliche Rolle in der schottischen Geschichte gespielt hat. Es thront hoch über der Ebene und hat in der Vergangenheit den Zugang nach Norden kontrolliert.
Nach knapp 25 Meilen oder ca. 45 Minuten kommen wir dann in die malerische, kleine Ortschaft Crieff, wo wir in einem alten Schloss die erste Nacht verbringen. Bei gutem Essen und Trinken geniessen wir die Aussicht über die sanften grünen Hügel, bis es langsam dunkel wird.
Samstag, 28.5.2016: Crieff - Nairn
Auf unserem Weg nach Norden machen wir zuerst einen Zwischenhalt in Dunkeld, einem kleinen verschlafenen Nest, das früher das religiöse Zentrum Schottlands war. Die Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert wurde im 16. Jahrhundert im Laufe der Reformation stark zerstört. Ihre idyllischen Lage am Fluss und der Ortskern machen den Besuch aber trotzdem sehr lohnenswert.
Der zweite Stop ist eher ein Flop, der im Reiseführer beschriebene Samstagsmarkt von Blairgowrie ist kaum zu finden und definitiv keinen Umweg wert.
Dann machen wir eine Kurve zurück auf die Strasse Richtung Norden und haben in Blair Atholl richtig Glück: wir wollen eigentlich nur das Schloss besichtigen, werden aber Augenzeugen der Jahresparade der Atholl Highlanders, der einzigen legalen Privatarmee Europas. Diese steht unter dem Kommando des Duke of Atholl (der grundsätzlich in Südafrika lebt). Und wenn das nicht schon Glück genug wäre, beginnt obendrein noch die Sonne zu scheinen.
Langsam müssen wir uns auf die Socken machen, es warten noch ein paar Meilen Strasse auf uns. Die Fahrt ist sehr abwechslungsreich, karge Hochebenen lösen sich fast übergangslos mit grünen Flusstälern ab. Parallel zur Strasse verläuft ein doppelspuriges Bahngeleise, einen Zug sehen wir allerdings den ganzen Tag über nicht. Ab und zu machen wir einen kurzen Fotohalt, die schöne Distillerie Dalwhinnie sehen wir in Folge der fortgeschrittenen Zeit nur noch von aussen. Gegen 1900 treffen wir wohlbehalten in Nairn, unserem heutigen Etappenziel direkt an der Meeresküste östlich von Inverness ein.
Sonntag, 29.5.2016: Speyside
Heute ist Sonntag, weshalb der Besuch von Distillerien eine Herausforderung darstellt. Die meisten sind sonntags geschlossen und die Besichtigungstouren bei den wenigen anderen sind bereits seit langem auf Tage hinaus ausgebucht. Wir besuchen deshalb rund 20 Meilen westlich von Nairn die alte Distillerie Dallas Dhu, die seit rund 30 Jahren geschlossen ist und später in ein Museum umgewandelt wurde. Der Prozess der Whisky-Produktion kann hier in aller Ruhe nachvollzogen werden, ohne dass auf einen laufenden Betrieb Rücksicht genommen werden muss. Der Prozess der Verarbeitung der zwei Rohstoffe Gerste und Wasser ist eigentlich ganz einfach und - wenn man etwas ins Detail schaut - doch wieder sehr anspruchsvoll. Die Qualität des Endprodukts hängt immer noch stark vom Geschick der verantwortlichen Mitarbeiter ab.
Auf unserer Streiftour kreuz und quer durch das Spey-Tal kommen wir an diversen noch aktiven (aber am heutigen Tag eben geschlossenen) Distillerien vorbei. Bei Cardhu und Aberlour machen wir kurze Fotostops, viele andere grüssen wir im Vorbeifahren. Die Landschaft ist traumhaft, in den Flusssenken spriessen die Blätter in saftigem Grün, auf den weiten Flächen beginnt die Gerste zu wachsen, die gelben Ginsterbüsche stehen in voller Blüte und auf den sanften Hügel ist durch den Torfabbau ein interessantes Muster aus schwarzbrauner Erde und fahlen Heidekrautfarben entstanden.
Bei einer alten Spinnerei irgendwo am Ende der Welt machen wir einen Kaffee-Halt und zuletzt statten wir noch der ursprünglich riesigen Kathedrale von Elgin einen Besuch ab, wie es sich für Kulturbeflissene gehört. In unserem Jargon handelt es sich allerdings eher um einen grossen Steinhaufen, sodass wir relativ bald wieder auf dem Rückweg nach Nairn sind. Das Wetter ist immer noch ansprechend, nur zweimal hat es heute kurz geregnet.
Montag, 30.5.2016: Nairn - Isle of Eriska
Der heutige Tag ist nach der gestrigen Theorie der Praxis gewidmet. Zunächst fahren wir nach Elgin, wo Gordon & McPhail (der grösste unabhängige Whisky-Abfüller) einen Verkaufsladen führt. Neben allerhand Nebensächlichkeiten wie Käse, Fleisch, Schokoladen und anderen Delikatessen finden wir hier ein bescheidene Auswahl von rund 450 verschiedenen Whisky-Sorten. Da wir nicht alle testen können, lassen wir die Auswahl durch einen Experten etwas einschränken, ergänzen das Evaluationsverfahren durch ein Nosing und Tasting und erstehen schliesslich eine Spezialabfüllung Glendullan 2004.
Die Distillerie Glen Moray macht einen ziemlich industriellen Eindruck, weshalb wir diese links liegen lassen. Nächste Station ist Keith, wo wir die Distillerie Strathisla besuchen. Deren Produktion geht hauptsächlich in die Blends von Chivas Regal. Die Degustation am Ende der interessanten Tour in der schönen Produktionsanlage konzentriert sich deshalb eher auf die Blends von Chivas, der 12-jährige Single Malt ist für uns aber trotzdem der Favorit.
Ueber enge Strassen mit tausend Kurven geht es dann mit einem kurzen Fotohalt bei der ebenso schönen wie touristischen Glenfiddich-Brennerei weiter nach Tomintoul, wo die lokale Distillerie nicht wirklich auf Anhieb zu finden ist. Hier gibt es kein Visitor Centre und keine Führungen, Besucher werden laut dem Schild am Eingang nur auf Voranmeldung empfangen. Unsere scheue Anfrage, ob wir denn hier den lange gesuchten 25-jährigen Tomintoul Single Malt kaufen könnten, öffnet dann die Türen doch noch. Der Manager persönlich lässt uns die verschiedenen Varianten probieren und erzählt dabei allerlei Interessantes über die Vermarktung seiner Produkte. Diese gehen hauptsächlich als Blends nach Asien, offensichtlich ein bedeutsames Massenbusiness. Für ihn selber sind aber nur die Single Malts das einzig Wahre. Wir teilen seine Ansicht und ergänzen unsere Sammlung - trotz einigen Schwierigkeiten mit dem Kreditkaren-Lesegerät - um eine schöne Flasche Tomintoul.
Dann machen wir uns auf die Socken Richtung Süden, wo wir nach rund zweieinhalb Stunden Fahrt durch grüne Täler, über karge Hochplateaus und entlang von klaren Seen unser schönes Hotel ca. 16 km nördlich von Oban erreichen.
Dienstag, 31.5.2016: Oban / Seil
Nach einem späten Frühstück bewundern wir den 90-jährigen Bentley eines fast so alten Hotelgastes und tuckern dann bei strahlendem, unschottischem Wetter gemütlich nach Oban, das rund eine halbe Stunde südlich unseres Hotels liegt. Wir parkieren ganz in der Nähe des Hafens und kümmern uns zuerst um Fährtickets für die morgige Fahrt zur Insel Mull. Dann schlendern wir dem Hafenbereich entlang und kommen fast zufällig zur Oban Distillery. Nun ist es ja nicht so, dass wir alle Brennereien von Schottland besichtigen wollen und Alkohol sagt uns sowieso nichts. Diese Distillerien haben aber so ein magisches Magnetfeld, dem man sich nur schwer entziehen kann. Wir reservieren uns Plätze für eine Tour am frühen Nachmittag, vorher stärken wir uns noch in einem nahe gelegenen Kaffee. Nik ist unser Führer und er macht seine Sache gut. Einzig die Frage, wie man aus täglich 5000 l Whisky mit 68% Alkohol auf jährlich 1 Mio 7 dl-Flaschen mit 43% Alkoholgehalt kommt, ist uns auch Stunden nach der Besichtigung noch nicht klar.
Nach getaner Arbeit fahren wir noch eine halbe Stunde weiter nach Süden. Über eine abenteuerliche Steinbrücke, die von einem der Gründer der Distillerie Oban erbaut wurde, fahren wir zur malerischen Insel Seil hinüber. In einem kleinen Fischerdorf geniessen wir die prächtige Stimmung und lassen den Nachmittag gemütlich ausklingen.
Mittwoch, 1.6.2016: Isle of Mull
Auf der Fahrt zum Oban Ferry Terminal machen wir einen Halt beim MacCaig Tower, der direkt über dem Ort Oban thront. Eigentlich ist es mehr ein Kolloseum-artiges Bauwerk, dessen Sinn nicht so ganz klar ist. Drei Sachen bleiben uns in Erinnerung: erstens war es eine wichtige Stellung der 3. freiwilligen Artillerie-Abteilung von Argyll, zweitens diente der Bau zur Erstellungszeit als Beschäftigungsprojekt für arbeitslose lokale Maurer und drittens ist die Aussicht auf die Bucht von Oban beeindruckend.
Die Überfahrt zur Insel Mull dauert nur ca. 50 Minuten, sie bietet einen schönen Blick auf die diversen kleinen Inseln in der Umgebung. Wieder an Land verlassen wir bald die so genannte Hauptstrasse nach Tobermory und nehmen die Nebenstrasse entlang der Westküste. Wie viele dieser kleineren Strassen in Schottland ist sie einspurig mit Ausweichstellen im Abstand von 50 - 200m. Damit ist eine defensive Fahrweise gefragt und 97 von 100 Fahrern verhalten sich auch entsprechend höflich. Die Aussicht auf diesem Weg ist traumhaft, erst recht beim Prachtswetter, das nun bereits seit Tagen herrscht. Immer wieder wechselnde Panoramen belohnen uns für das kriechende Vorankommen.
Nach einem Kaffeehalt bei einem unglaublichen Strand mit schneeweissem Sand und türkisfarbigem Wasser kommen wir in das kleine Fischerdorf Tobermory mit seinen vielen bunt bemalten Häusern. Ja: es hat eine Distillerie, nein: wir besuchen sie nicht. Ein kleines Tasting muss für heute reichen und um eine Flasche Whisky zu kaufen, braucht man nicht zwingend zuerst die Produktion anzuschauen. Wir schlendern im prächtigen Nachmittagslicht dem Hafenbereich entlang und geniessen einen Apéro auf einer kleinen Terrasse. Dann müssen wir schon wieder auf die Piste Richtung Süden nach Craignure, von wo aus uns die Fähre wieder nach Oban zurück bringt.
Donnerstag, 2.6.2016: Isle of Eriska - Edinburgh
Heute nehmen wir den Rückweg nach Edinburgh unter die Räder, insgesamt liegen rund 160 Meilen vor uns. Entlang von kristallklaren Seen fahren wir in einer ersten Etappe bis Inverary, einem kleinen Dorf am Loch Fyne. Wir machen einen kleinen Bummel durch den Ort, dessen Häuser im Zentrum alle schwarz und weiss gestrichen sind. Das Gefängnismuseum und das recht grosse, etwas ausserhalb gelegene Schloss lassen wir auf der Seite und begnügen uns mit einer automobilen Schlossumrundung.
Dann geht es weiter, kreuz und quer durch den Trossach National Park. In der Nähe von Tarbert machen wir bei einer zu einem Restaurant umfunktionierten Kirche eine Mittagspause. In der Fortsetzung der Fahrt sind wir froh, dass uns eine Strassensperrung aufgrund eines Verkehrsunfalls nicht betrifft, denn die Umfahrungsmöglichkeiten sind bei den wenigen verfügbaren Strassen sehr limitiert. Obwohl es hier eigentlich nur Seen, Wald und ein paar Berge gibt, ist die Landschaft sehr abwechslungsreich. Dass es auch heute strahlend schön ist, hilft der Stimmung natürlich zusätzlich. Nach hunderten von Kurven kommen wir dann schliesslich ins offene Flachland, wo sich unser Schottland-Rundkurs bei Stirling schliesst (siehe Tag 1).
Zum Abschluss machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Wheel of Falkirk, einer interessanten Schleusenkonstruktion in Form eines grossen Rads. Die Schiffe werden dabei wie auf einem Riesenrad hinauf- oder hinuntergehoben und bleiben dabei in einem grossen Wasserbecken. Zuletzt kämpfen wir uns dann durch den mühsamen Abendverkehr ins Zentrum von Edinburgh hinein, was eine ziemliche Geduldsprobe darstellt. Dass wir bei diesem Verkehr direkt vor dem Hotel einen Parkplatz finden, ist ein echter Glücksfall, denn das dazugehörende Parkhaus wäre mehrere hundert Meter entfernt.
Freitag, 3.6.2016: Edinburgh
Wir lassen unser Auto ein wenig auf seinem Luxus-Parkplatz vor dem Hotel stehen und erkunden nach dem Frühstück noch etwas die Altstadt. Wir brauchen zu Fuss nur eine gute Viertelstunde bis zum Edinburgh Castle hinauf und schafffen es, die Besichtigung noch vor den Touristenhorden starten zu können. Es gäbe natürlich sehr vieles zu sehen, in Anbetracht der Zeit konzentrieren wir uns aber auf die Hauptsehenswürdigkeiten. Die schottischen Kronjuwelen würden noch gut zu uns passen, leider sind sie aber etwas zu intensiv bewacht. Von den Artillerie-Stellungen aus geniesst man eine berauschende Aussicht über die alte und die neue Stadt. Gegen den Strom der hinaufstürmenden Massen verlassen wir das Schloss nach einer guten Stunde wieder und schlendern gemütlich die Royal Mile hinunter, nicht ohne die verschiedenen Läden genau zu inspizieren.
Durch den auch um 11:00 Uhr dichten Stadtverkehr kämpfen wir uns dann Richtung Flughafen, tanken auf und geben unseren Mietwagen wieder ab. Wir blicken zurück auf eine schöne, eindrückliche Woche mit aufgefrischten und neuen Eindrücken und der Erkenntnis, dass es tatsächlich Wetterlagen gibt, bei denen in Schottland deutlich besseres Wetter herrscht als in der Schweiz.