Peru 2022

 

Samstag, 7.5.2022: Start zur Peru-Reise 2022


Mehr als zwei Jahre haben wir ausgeharrt, bis der pandemiebedingte „Hausarrest“ überwunden war. Dreimal mussten wir diese Reise verschieben, aber nun sind wir also tatsächlich wieder unterwegs. Da sich Yvonne gestern Abend noch den Meniskus kaputt gemacht hat, wird die Reiserei etwas umständlicher. Fliegen mit Krücken ist halt schon etwas komplizierter. Dafür bekommen wir beim Umsteigen in Amsterdam Unterstützung. Auf diesem Flugplatz der grossen Distanzen ist der Transport von einem Gate zum andern per Behindertenmobil schon eine erhebliche Erleichterung.

Nach dem Umsteigen in Amsterdam dauert unser Flug über den Atlantik gut 12 Stunden, alles funktioniert noch wie früher: die Piloten sitzen vorne und auf jeder Seite hat es einen Flügel. Die Einreise in Lima ist - auch dank erneuter "Behinderten"-Unterstützung erstaunlich unkompliziert. Wir werden von unserem Führer Michael und dem Fahrer Carlos erwartet, die uns zum Hotel in einem Aussenquartier von Lima bringen. Sie werden uns auf der ganzen Reise begleiten. Michael kennen wir bereits von unserer letzten Südamerika-Reise im November 2017. Wir freuen uns sehr auf seine orts- und sachkundige Begleitung.

Nach einem Akklimatisierungstag in der peruanischen Hauptstadt werden wir der Pazifikküste entlang bis nach Nasca fahren, von wo aus wir die verschiedenen Anden-Kordilleren überqueren. Wir bleiben dann ein paar Tage im heiligen Tal der Inkas und in Cusco, bevor wir auf der Transoceanica weiter Richtung Osten fahren. Im Urwald verbringen wir ungefähr eine Woche, bevor wir wieder auf das Hochland ans Ostufer des Titicacasees gelangen. Von dort aus geht es schliesslich wieder zurück nach Zürich.

Sonntag, 8.5.2022: Lima

Gut ausgeruht und verpflegt machen wir uns auf den Weg ins Zentrum der peruanischen Hauptstadt. Unterwegs kommen wir immer wieder an langen Menschenschlangen vorbei, die für Chicharrones anstehen, ein beliebtes lokales Gericht aus Schweinemagen und/oder Schweinehaut. Dieses hat am heutigen Muttertag für viele Leute offensichtlich eine besonders wichtige Bedeutung. Bei besonders renommierten Garküchen braucht es eine gehörige Portion Geduld, bis man Mama glücklich machen kann.

Die Fahrt ins historische Zentrum gestaltet sich ziemlich schwierig, am heutigen Festtag sind nämlich viele Strassen für die Fussgänger gesperrt. Wir beginnen unsere Tour auf dem Mercado Central, wo angesichts der frühen Stunde noch nicht allzu viel Betrieb herrscht. Beim Bummel durch die Strassen passieren wir intakte Häuserzeilen von Kolonialbauten, die (zumindest an der Frontfassade) alle sehr gut restauriert sind. Besonders eindrucksvoll sind die vielen Holzbalkone.

Wir besuchen die Klosterkirche San Francisco, die mit einem zweistöckigen Kreuzgang, eindrucksvollen Chorgestühlen und enormen Kunstschätzen punktet. Unter anderem hängt hier eine ganze Sammlung von Rubens-Gemälden über das Leiden Christi. Die Kirche selber kann man wegen der gerade abgehaltenen Messe nicht betreten, dafür besichtigen wir - immer leicht gebückt - die riesigen Katakomben, in der bis ca. 1800 auf 3 Etagen offenbar gegen 25‘000 Menschen begraben wurden.

Wir spazieren resp. humpeln weiter bis zum Höhepunkt des heutigen Tags, der Plaza de Armas. Rund um diesen imposanten grünen Platz befinden sich eine komplett intakte Reihe von kolonialen Gebäuden: der Sitz des Erzbischofs, die Kathedrale von Lima, die Stadtverwaltung und der Regierungspalast. Vor diesem findet mit viel Pomp gerade die tägliche Wachtablösung statt, begleitet von einer ziemlich lauten Militärkappelle.

Zum Ende unseres Stadtrundgangs erwartet uns noch eine ziemlich mühselige Sucherei nach unserem Fahrer Carlos, der enorme Schwierigkeiten hat, sich bei all den gesperrten Strassen zu uns durchzukämpfen. Nach einem späten Mittagessen spazieren wir noch ein paar Schritte durch Barranco, dem schönen und vornehmen Vorort von Lima.

Montag, 9.5.2022: Lima - Paracas


Wir verlassen unser charmantes Hotel in Barranco und zirkeln uns durch den Morgenverkehr. Dies stellt für unseren Fahrer Carlos eine mittlere Herausforderung dar, denn das Navigationssystem in seinem tollen neuen Auto will gerade nicht so richtig. Mit wiederholter Hilfe von Passanten und Polizisten finden wir schliesslich die Panamericana. Diese Strasse führt der Länge nach durch den ganzen amerikanischen Kontinent, von Alaska bis nach Feuerland. Die Strecke, die wir heute darauf zurücklegen bringt uns durch lange Wüstenstreifen, die immer dann durch saftig grüne Oasen unterbrochen sind, wenn ein Fluss aus den Anden Richtung Pazifik fliesst. Am Ende einer Gaspipeline, die aus dem Amazonas-Tiefland hier an die Küste reicht, befindet sich ein grösseres Industriegebiet, in dem auch ein stattliches Stahlwerk steht. In den ländlichen Gebieten wachsen Mais, Kartoffeln, Wein, Spargeln, Zwiebeln und vieles anderes Grünzeug und in riesigen Unterständen werden hunderttausende von Hühnern gezüchtet. Glücklich dürfte dieses Federvieh allerdings kaum sein.

Nach etwa 3.5 Stunden erreichen wir Paracas, wo wir gleich in das Naturreservat auf die Halbinsel hinausfahren. Hier weht ein zügiger Wind und die Suche nach einer windgeschützten Stelle erweist sich als hoffnungslos. So müssen wir darauf achten, dass uns unsere Holzlöffel und -Gabeln nicht um die Ohren fliegen, teilweise ist das sogar mit Erfolg gekrönt. Die verschiedenen Aussichtspunkte bieten tolle Einblicke in die eindrückliche Küstenlandschaft, nur werden dabei Fotograf und Ausrüstung gründlich sandgestrahlt. An einem Strandabschnitt schauen wir einer Gruppe von Arbeitern zu, die Seetang aus dem Meer fischen und diesen über den Strand zu einem Lastwagen schleppen: echte Schwerarbeit. Der Seetang wird später zu einem beliebten Dünger verarbeitet, der dann mit einer offensichtlich interessanten Marge an die Bauern verkauft wird.

Dienstag, 10.5.2022: Paracas - Nazca


Früh steigen wir aus den Federn, um für unsere Bootsfahrt zu den Ballestas-Inseln noch ein möglichst ruhiges Meer zu haben. Tatsächlich ist das Wasser im Gegensatz zum Vorabend ruhig und so steigen wir frohgemut in den Kampf am Frühstücksbüffet, lautstark umrahmt von einer rund 250-köpfigen Reisegruppe von Adventisten. Bald meldet sich unser Führer Michael: der Hafenchef sei vorderhand unauffindbar und ohne sein Placet gebe es keine Bootsfahrt. Die Zeit verstreicht und von einem OK des Hafenchefs sind wir weiterhin meilenweit entfernt. Wir bummeln zum Hafen, schliesslich stehen wir in den Ferien ja nicht einfach so um sechs Uhr auf. Irgendwann müssen wir dann aber aufgeben, entweder ist ausserhalb der Bucht die See tatsächlich zu wild oder der Hafenmeister hat einfach keine Lust, wegen ein paar lausigen Touristen vor dem Mittag aus den Federn zu kriechen.

Wir fahren los Richtung Südosten, zum Teil durch eine karge Wüstenlandschaft, dann wieder durch üppige Felder und kurz vor unserem Ziel Nazca schliesslich über zwei kleine Pässe. Im kleinen Dorf Palpa erstehen wir einen hervorragenden, frisch gepressten Orangensaft, essen dann unseren Sandwichlunch und lassen den regen Verkehr an uns vorbeiziehen.

In Nazca schauen wir kurz vor dem malerischen Sonnenuntergang eine uralte Bewässerungsanlage an. Ein unterirdisches Kanalsystem führt von den verschiedenen Quellen bis zu den Feldern, die Wartung dieser Kanäle erfolgte über grosse kreisrunde Gruben, die den Zugang zum Wassersystem sicherstellten. Beim Eindunkeln erreichen wir schliesslich unser heutiges Etappenziel, wo wir vor dem Nachtessen noch einen kleinen Bummel über die gut belebte Plaza de Armas unternehmen.

Mittwoch, 11.5.2022: Nazca und Acarí


Schon wieder verlassen wir das Hotel zu (einigermassen) nachtschlafener Zeit, damit wir mit schweizerischer Pünktlichkeit auf dem Flugplatz von Nazca sind. Ziemlich unverfroren wird uns dort erklärt, dass unser Flug erst später starten könne, weil im entfernteren Teil der Route noch mit Nebelbänken zu rechnen sei. In Anbetracht der generellen Meteolage ist das zwar eine ziemlich einfältige Erklärung, aber fliegen tun sie trotzdem noch nicht. Nach ca. 2 Stunden Herumhängen sind wir dann in der Luft und kurven über die vielen Scharrbilder in der steinigen Wüste von Nazca. Verschiedenste Tiere und andere Figuren sind in einer verblüffenden Genauigkeit dargestellt. Daneben verläuft auch eine grössere Anzahl von schnurgeraden Linien, deren Bedeutung bis heute nicht wirklich geklärt ist. Relativ simple Ideen (von unzähligen Leuten immer wieder benutzte Wege zu Kultstätten) konkurrieren mit ziemlich abenteuerlichen Interpretationen (Kontakt zu Ausserirdischen). Warum man diese Fragen bis heute mit all den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht geklärt hat, bleibt etwas schleierhaft. Vielleicht ist aber auch gar niemand so richtig an der Aufklärung interessiert, schliesslich läuft das Geschäft mit diesem Mysterium ganz gut. Wir geniessen einfach den Flug, der uns auch die ganze Geografie mit den grünen Oasen entlang der Flugtäler besser begreifen lässt.

Auf der Panamericana fahren wir danach rund 1.5 Stunden Richtung Süden, wo wir bei einer Art Raststätte ein hervorragendes Mittagessen bestehend aus Fisch und Flusskrebsen bekommen. Weit und breit sind wir die einzigen, die nicht mit dem LKW hier sind, entsprechend gross sind auch die Essensrationen. Bestens gestärkt machen wir uns dann auf zu einem kleinen Marsch Richtung Delta, wo der Acarí-Fluss in den Pazifik mündet. Hier ernähren sich eine grosse Anzahl verschiedener Vögel mit dem reichlichen Futterangebot aus Süss- und Salzwasser. Unser Hinkebein macht die ganze Tour durch Gestrüpp, Sand und über kleine Wasserläufe tapfer mit. Nur einmal wird es etwas anspruchsvoll, als sich eine Schlange unbekannter Gattung erfrecht, der Gemahlin Pfad nicht zu verlassen. Gattin und Schlangentier überleben grundsätzlich unbeschadet, möglicherweise aber unterschiedlich geschockt.

Unser Auto finden wir nach einer kleinen Gruppendiskussion über vorzugsweise zu verfolgende Marschrichtungen schliesslich auch wieder, sodass wir beim Eindunkeln zurück nach Nazca fahren können.

Donnerstag, 12.5.2022: Nazca - Chalhuanca


Heute nehmen wir den ersten Teil der Andenüberquerung entlang der Carretera Transoceanica unter die Räder. Diese rund 5’000km lange Strasse verbindet den Pazifik in Peru mit dem Atlantik in Brasilien. Die ursprüngliche Idee - mindestens der peruanischen Regierung - war die Intensivierung des Güterverkehrs zwischen Brasilien und Peru. Dieses Konzept ging aber bis heute nicht richtig auf, sodass diese Strasse im peruanischen Teil vor allem dem Transport von Aushubmaterial aus den allgegenwärtigen Gold- und Silberminen auf dem Hochland zu den Verarbeitungsbetrieben an der Küste dient (ein Weg mindestens 15 Stunden!).

Die Fahrt ist anstrengend, weil wir zweimal auf rund 4’500m hoch klettern. Die Landschaft ist ausgesprochen abwechslungsreich und wir erleben so hautnah die verschiedenen Klimastufen. Der Wechsel von Licht und Schatten und die Farbenspiele sind extrem faszinierend. Immer wieder kommen wir an kleinen Gruppen der wilden Vicuñas und an z.T. riesigen Herden der domestizierten Alpakas vorbei. Es ist bereits dunkel, als wir nach einem für die Jahreszeit untypischen kurzen Regenschauer an unserem Etappenziel etwas ausserhalb von Chalhuanca ankommen. Wir sind nach der insgesamt fast 10-stündigen Reise etwas auf den Stümpen, sodass sich der Textteil für heute in Grenzen hält. Ich lasse die Bilder für sich sprechen.

Freitag, 13.5.2022: Chalhuanca - Urubamba


Ein weiterer anstrengender Tag liegt vor uns. Wir verlassen unser schönes Hotel (in dem wir die einzigen Gäste sind) und fahren dem Rio Chalhuanca entlang durch eine wilde Schlucht. Zwischendurch wagen wir uns über eine wacklige Hängebrücke, deren Gehfläche mit Sisal-Blättern ausgelegt ist. Offensichtlich ist die Brücke gut gebaut, jedenfalls sind wir nicht heruntergefallen. Vor Abancay fahren wir mal kurz 600m den Berg hinauf, um eine Brücke aus der Zeit der Spanier zu finden. Von Finden ist vorerst nicht die Rede und nachdem uns der erste Tankstellenexperte noch weiter den Berg hinauf schickt, meint der nächste, alles wieder retour sei die bessere Idee. Google Maps (scheint in Peru noch nicht bekannt zu sein) zeigt uns schliesslich den Weg. Dann fahren wir wieder den Berg hinauf, wir kennen ja jetzt den Weg. Auf dem Markt von Abancay lassen wir uns von den Einheimischen bestaunen: wir sind weit und breit die einzigen Touris.

Auf gut 4’000m überqueren wir einen weiteren Pass, bevor es wieder ins Tal hinunter geht. Eine besondere Erwähnung verdient unser Fahrer: schletzt wie ein Wilder um die Kurven, übersieht alle Speed-Breaker, überholt nicht, wenn er könnte und tut es, wenn er nicht sollte. Im Übrigen verpasst er mehr oder weniger jede Abzweigung und die Funktion der verschiedenen Knöpfe im Armaturenbrett wird er möglicherweise erst im nächsten Leben begreifen. So kommt es, dass wir den letzten Pass erst nach einbrechender Dunkelheit überqueren und letztlich nach 11 Stunden eher ermattet in unserem Hotel in Urubamba ankommen.

Samstag, 14.5.2022: Urubamba


Der heutige Tag dient der Akklimatisierung an die Höhenlage. Unser Hinkebein gönnt sich einen faulen Tag im Hotel und im Dorf, der Schreibende unternimmt eine Halbtageswanderung zu den Tempelruinen von Chupani, rund 10km nordwestlich von Urubamba. Wir fahren mit dem Auto in die Nähe des Dorfes Amalai, wo wir bei einer Forellenzucht parkieren. Von hier aus geht es ein paar Kilometer einem malerischen Bach entlang nach oben, grösstenteils im Schatten des Waldes. Zwischendurch überholen uns mehrere Maultiergruppen in einem ziemlich beeindruckenden Tempo. Selbst die an die Höhe gewohnten Bauern müssen sich sputen, um mit den Tieren mithalten zu können. Rund 500 Höhenmeter weiter oben ist unser Ziel erreicht: die relativ kleine Tempelanlage von Chupani, die vermutlich durch die Wari, die noch vor den Inkas hier lebten, errichtet wurde. Der Komplex ist von hohen Bergen eingerahmt, über die auch ein Pass führt, der in früheren Zeiten als Handelsroute hinunter in das peruanische Urwaldgebiet diente. Die Landschaft rundherum ist sehr eindrücklich, ebenso der Blick in die Ferne auf die andere Seite des heiligen Tals der Inkas. Nach einer kleinen Pause lassen wir die Schwerkraft wirken und gehen zurück zu unserem Auto, das uns nach Urubamba zurückbringt. Dort nehmen wir den Rest des Tags locker, essen ein spätes Mittagessen und lassen an der kleinen Plaza de Armas die Betriebsamkeit des Ortes auf uns wirken.

Sonntag, 15.5.2022: Urubamba - Cusco


Wir verlassen uns super schönes Hotel in einem ehemaligen Kloster und winden uns die Kurven nach Maras hinauf. Auf einem Feldweg geht es hinunter zu den Salzterrassen. An einem leichten Abhang sind mehrere tausend Felder von ca. 5 Quadratmetern angelegt. Diese werden sorgsam vorbereitet, stundenlang muss der Lehmboden flachgeklopft werden, bevor das Salzwasser (360g Salz pro Liter) aus einer unterirdischen Quelle in einem feinen Rinnsal hineingeleitet wird. Dies wird alle 5 Tage wiederholt und nach einem Monat können die Salzkristalle geerntet werden. Eine absolut spektakuläre Anlage und wir fragen uns, warum wir nicht schon früher hierher gekommen sind.

Weiter geht es wieder hinunter ins heilige Tal der Inkas, wo wir dem Rio Vilcanota entlang nach Pisaq fahren. Dieser Fluss (der hier auch Rio Urubamba heisst) ist einer der Quellflüsse des Amazonas. Er kämpft um diese Ehre mit dem Rio Apurimac, der in der Gegend von Arequipa entspringt. Unterwegs passieren wir den kleinen Ort Lamay, zu dem die Einheimischen an Festtagen anreisen, um geröstete Meerschweinchen zu essen. Pisaq, der einst malerische und eher verschlafene Ort, ist noch weiter zu einer reinen Touristen-Einkaufsfalle geworden, Einheimische sind zwischen den hunderten von Touristen nur als Verkäufer an den Verkaufsständen zu finden. Ein Besuch lohnt sich leider nicht mehr, der Ort steht trotzdem weiterhin auf der Checkliste der Reiseanbieter, weil er so praktisch nahe bei Cusco liegt und ausserdem eine willkommene Provisionsquelle für die Reiseführer darstellt. Wir stoppen nur kurz, um ein paar Empanadas als Snack zu kaufen und fahren dann gleich weiter zu den Inka-Ruinen hoch über dem Dorf. Diese müssen wir mit einem halbstündigen Fussmarsch verdienen, ein Effort, der sich wegen den interessanten Tempelruinen und der atemberaubenden Aussicht auf Täler und Berge auf jeden Fall lohnt.

Gegen Abend bewegen wir uns im Strom der Cusqueños, die ihren Sonntagsausflug ins Valle Sagrado gemacht haben, langsam zu unserem heutigen Etappenziel Cusco. Dort feiern wir Hinkebeins Geburtstag mit einem gepflegten Nachtessen am Rand der Plaza de Armas.

Montag, 16.5.2022: Cusco

Heute ist ein fauler Tag in Cusco, darum gibt es für einmal keinen Reisebericht. Fotos müssen reichen. Wer sich für mehr Informationen über Cusco interessiert, könnte den Blogbeitrag vom 1.11.2017 nachlesen.

Dienstag, 17.5.2022: Pachatusan / Tipón


Aus dem Gewühl der Gassen von Cusco kämpfen wir uns hinaus Richtung Südosten, kommen am Flugplatz vorbei (der irgendwann in den nächsten Jahren durch einen neuen im Nordwesten bei Chinchero ersetzt werden soll) und verlassen die Stadt. Durch eine eher langweilige Gegend kommen wir nach ca. 45 Minuten nach Choquepata, wo wir uns den Berg hinauf schlängeln. Die Aussicht auf das Tal und die Ruinenlandschaft ist ausgesprochen schön. Auf etwa 4100m lassen wir den Wagen stehen und machen eine kurze Wanderung weiter hinauf zum Fuss des Pachatusan. Da sich die Bauerngemeinschaft weiter unten das Recht herausgenommen hat, die Strasse auf den Berg hinauf mit einem Schlagbaum nach Gutdünken zu sperren (es geht je nach Definition um Trink- oder Schmiergelder) können wir leider nicht allzu lange oben bleiben. Der Schmiergeld-Empfänger hat nämlich für heute entschieden, dass er um 13:00 empfänglich wäre, später wäre der Schlagbaum dann leider geschlossen.

Auf einer eher abenteuerlichen Fahrt auf dem Karrenweg den Berg hinab (unser Fahrer Carlos gibt sich zwar Mühe, aber in den Bergen ist er bislang mit seinem eigentlich gut ausgerüsteten Pickup offensichtlich noch nie gewesen) kommen wir dann nach dem Trink-/Schmiergeld-Stop zum archäologischen Komplex von Tipón. Wir sind zwar bekannterweise keine Archäologen, die Anlage ist aber auch für uns gewöhnlich Sterbliche echt eindrücklich. Wie bei den meisten historischen Anlagen in Peru ist auch der damalige Zweck des weitläufigen Bereichs nicht restlos klar. Es könnte sich um eine Tempelanlage, königliche Gärten oder um eine landwirtschaftliche Versuchsanstalt der Inkas gehandelt haben. Gebaut wurde der Komplex höchstwahrscheinlich bereits von früheren Völkern, darauf deuten die Mauern aus perfekt zugehauenen Steinen hin. So oder so dürfte in Peru noch vieles, das der Einfachheit den Inkas zugeschrieben wurde, von früheren Völkern, insbesondere den Waris, gebaut worden sein. Die Terrassen von Tipón gelten als eine ingenieurtechnische Meisterleistung, was die Wasserführung betrifft.

Den Abend verbringen wir unweit des Hotel im Restaurant Inkazuela, das sowohl durch sein Atmosphäre als auch durch das Essen überzeugt.

Mittwoch, 18.5.2022: Cusco - Pacchanta


Durch eine Brasilianer-Horde kämpfen wir uns aus dem Hotel und fahren im dichten Morgenverkehr aus Cusco heraus. Wir folgen der selben Strasse wie gestern und machen wie üblich den einen und anderen Fotostop. Bei einem kleinen Markt in einem der Dörfer erkunden wir das Angebotssortiment. Für das wohlfeil gehaltene Schaffleisch in zwei Varianten (frisch mit Fliegen und getrocknet mit Salz) können wir uns nicht so richtig erwärmen. Dafür kaufen wir ein Kilo Granadillas, die ähnlich schmecken wie Passionsfrüchte. Deren Fruchtsaft ist hier die erste Babynahrung nach dem Stillen.

Bei Urcos verzweigt sich die Strasse: auf der Reise 2017 sind wir hier geradeaus zum Titicacasee gefahren, heute folgen wir der Transoceanica Richtung Osten. Auf dem nächsten Pass auf 4200m haben wir das erste Mal einen fantastischen Ausblick auf die schneebedeckten Bergketten. Es geht weiter rauf und runter und um die Mittagszeit kommen wir in Tinke an, dem Ausgangspunkt von vielen Trekkingtouren in dieser Gegend. Nach einem kurzen Halt fahren wir den flachen Hang hinauf, das letzte Stück bis zur heutigen Unterkunft gehen wir zu Fuss, natürlich ohne das Gepäck, das per Auto hinauf gebracht wird.

Wir sind etwas ausserhalb des kleinen Dorfs Pacchanta bei Sonja und Flavio mit ihren Kindern Sheila und Neymar untergebracht. Wir unternehmen nach dem späten Mittagessen einen kleinen Bummel bis hinauf zu den Thermalquellen, um mal abzuchecken, ob wir dort morgen in die Fluten tauchen wollen. Beim Eindunkeln wird es ziemlich schnell kühl resp. eisig für das Hinkebein. Allerdings wird sie dieses Alias möglicherweise bald los, heute ist sie bereits 2km auf der Schotterstrasse ohne Stöcke gegangen. Nach einer Gemüsesuppe und mit einer wärmenden Bettflasche kriechen wir in unsere Schlafsäcke und hoffen auf anhaltend warme Füsse.

Donnerstag, 19.5.2022: Am Fuss des Apu Ausangate


Nach einer Nacht ohne kalte Füsse und einem Frühstück für eine halbe Kompanie starte ich mit Flavio zur 7 Seen-Wanderung. Der Weg führt durch eine öde Landschaft stetig bergauf, dabei überqueren wir mehrere Bergbäche und passieren grössere und kleinere Alpakaherden. Nach 2 Stunden sind wir auf knapp 4700m angelangt und sehen vor uns die ersten 3 Seen. Rundherum stehen die stolzen Bergriesen, insbesondere der Ausangate mit ca. 6300m Höhe. Nach einer kurzen Rast gehen wir dem Ufer entlang weiter und bald schon beginnt wieder der Abstieg. Bei einem kristallklaren kleinen See, der für die Einheimischem heilig ist, badet eine Gruppe Brasilianerinnen in ziemlich unheiligen Bikinis. Viel studiert haben sie dabei vermutlich nicht. Sonst begegnen wir nur wenigen Leuten, dafür sonnt sich eine Gruppe Andengänse am nächsten See und etwas weiter unten treffen wir auf eine ganze Kolonie Chinchillas. Nach rund 12km Wanderung sind wir am frühen Nachmittag zurück in Pacchanta, wo wir 2 Brüder von Flavio besuchen und der Familie beim Aussortieren der Kartoffeln zuschauen. Beim Gespräch in Quechua kann ich leider nicht mithalten, dafür möchten die Jungen unbedingt etwas Englisch oder Französisch mit mir trainieren.
Das Mittagessen ist üppig wie immer und nach einem faulen Nachmittag gilt dasselbe für das Nachtessen.

Freitag, 20.5.2022: Pacchanta - Camanti


Wir beigen alles Gepäck wieder in unseren Pickup, was für unseren Fahrer Carlos wieder eine erhebliche Herausforderung darstellt. Unser Gastgeber Flavio kommt ebenfalls mit, weil er in Tinke schauen muss, wie er sein chinesisches Motorrad reparieren lassen kann. Andere Fabrikate kann man in Peru praktisch nicht mehr kaufen. In Tinke müssen sowohl Michael wie auch Carlos zuerst einmal ihren Internet-Nachholbedarf decken. Das gibt uns Zeit, etwas auf dem kleinen Markt herumzuhängen. Dann schlängeln wir uns durch die Pampa immer weiter nach oben. Auffallend ist die grosse Zahl von ziemlich handgestrickten Goldwäscher-Anlagen, die sich auf der ganzen Strecke dem Fluss entlang befinden. Die meisten von ihnen sind mehr oder weniger illegal, was insofern nicht relevant ist, weil die Polizei auch hier standardmässig bestochen wird. Der heutige Kulminationspunkt ist der Abra Pirhuayani mit 4725m. Dann geht es 4000m hinunter durch alle Klimazonen bis in den Nebelwald auf 730m. Vorher besichtigen wir in Marcapata eine ca. 300 Jahre alte schöne Kirche mit einem Strohdach. Drinnen scheint alles auseinanderzufallen, auf der komplett schief hängenden Kanzel würde ich selbst dann kaum eine Predigt halten, wenn ich Pfarrer wäre. Es gibt aber noch Hoffnung, da der Staat vor wenigen Wochen entschieden hat, dass die Kirche jetzt restauriert werden soll.

Am frühen Nachmittag kommen wir in der Kuporo-Lodge von Mario Ortiz an, wo uns der deutsch-tschechisch-irisch-spanische Koch Klaus schon bald hervorragende Spaghetti serviert. Anschliessend machen wir - wegen der Schlangen mit Gummistiefeln ausgerüstet - einen kleinen Spaziergang im umgebenden Wald, wo beim Eindunkeln eine grössere Gruppe Mönchs-Äffchen in den Baumkronen über uns herumturnt. Den Abend geniessen wir bei einem guten Essen und gegenüber der Hochebene ausgesprochen angenehmen Temperaturen.

Samstag, 21.5.2022: Camanti

Unser Häuschen hat keine Fenster, sondern ist mit Mückengittern geschützt rundherum offen. Wir erwachen deshalb mit den tausend Geräuschen des Urwalds: die nachtaktiven Tiere ziehen sich zurück und die anderen melden sich mit viel Klamauk. Nach dem Frühstück auf der Terrasse unternehmen wir mit Mario einen Streifzug durch den Wald und erfahren viele interessante Informationen von ihm. So zum Beispiel, dass sich eine bestimmte Ameisenart eine kleinere Gattung als Sklaven hält, die für die Zubereitung der Nahrung zuständig ist. Oder dass sich in den Bäumen Gruppen von Vögeln zu einer Jagdgemeinschaft zusammenfinden, die durch ein starkes Männchen geführt wird. Dieses ist für die Sicherheit der Gruppe verantwortlich und warnt diese bei nahender Gefahr. Dieses Warnruf stösst es allerdings auch aus, wenn es selber fressen will: dann fliehen alle anderen Vögel und der Chef hat den Schmaus für sich alleine! Wir sind etwa drei Stunden unterwegs, viel weiter als 2km kommen wir dabei nicht in dieser faszinierenden Welt.

Zum Mittagessen turnen zwei Kolibris vor unseren Augen und auf den Bäumen hüpfen verschiedene Vögel umher. Später unternehme ich mit Mario eine ziemlich abenteuerliche Dschungel-Kraxlerei ohne Wege und mit viel Macheten-Einsatz. So erklimmen wir den Anhang neben einem kleinen Wasserfall und hoffen dort, dass wir den Balztanz der knallroten Felsenhähne sehen können. Wir hören das laute Geschrei der Vögel ganz in der Nähe, zu sehen bekommen wir aber nur ein einzelnes Männchen in der Ferne und ein Weibchen, das pfeilschnell in seine Felshöhle verschwindet. Beim Eindunkeln machen wir uns auf den Weg zurück, das Durchqueren des Urwalds ohne Licht ist eine neue, spezielle Erfahrung.

Sonntag, 22.5.2022: Camanti

Ziemlich früh verlassen wir die Lodge und besuchen den Garten von Washington, dem Kollegen von Mario. In einem grossen Bambushain richten sich die Mönchsäffchen gerade zum Schlafen ein. Sie haben die ganze Nacht durchgefuttert und wären jetzt reif fürs Bambusbett. Die Fremdlinge müssen aber sehr genau beobachtet werden, sodass es heute etwas später Bettruhe gibt. Washington führt uns durch sein Reich und zeigt uns stolz seine verschiedenen Orchideen. Dann fahren wir zu einem Bauern, bei dem wir Einblick in die Pflege und Ernte der Kakao-Bohnen gewinnen. Auf seinen Feldern wachsen aber noch diverse andere Früchte und Gemüse, extra für uns hievt er eine Maniok-Wurzel (hier Yucca genannt) aus dem Boden, die wir später zum Abendessen essen werden. Bei einem Abstecher zum Araza-Fluss gibt es nasse Füsse: die Wassertiefe ist grösser als die Stiefelhöhe. Die Goldgräber sind aktuell nicht am Werk, sie warten auf die nächste Regenzeit, bis der Fluss wieder (hoffentlich goldhaltigen) Sand von der Bergen herunterschwemmt. Auf dem Weg zurück zu Mario‘s Lodge passieren wir nochmals Quincemil, wo sich die spärliche Bevölkerung dem sonntäglichen Nichtstun hingibt. Der Schnapsladen ist gut bestückt, Goldgräber wollen schliesslich gut und viel trinken.

Nach dem Mittagessen regnet es für eine Stunde, aber pünktlich zur nächsten Urwaldtour stellen die Niederschläge wieder ab. Wir kämpfen uns durch sumpfige Waldpassagen und schauen, dass wir mit den Stiefeln nicht stecken bleiben, auf den morschen Holzstamm-"Brücken" nicht ins Wasser fallen und bei den glitschigen, steilen Aufstiegen nicht rückwärts abrutschen. Halt an Bäumen und Lianen zu suchen wäre eine schlechte Idee, diese könnten schmerzhafte Stacheln haben oder von noch schmerzhafter stechenden Ameisen bevölkert sein. Mario zeigt uns unzählige interessante Details und erzählt viele Geschichten aus seinem unerschöpflichen Fundus. Es wird bereits dunkel, als wir unsere Lodge durch die letzten Sumpfpassagen wieder erreichen. Nach all dem Schweiß und den vielen Mücken ist die Dusche sicher wohl verdient.