Nordostindien - Myanmar 2020

 

3.-5.1.2020: Von Zürich nach Shillong

Nach einem ruhigen Flug von rund 7 Stunden landen wir kurz nach Mitternacht im dunstigen Delhi. In Rekordzeit absolvieren den Parcours von Immigration, Gepäckband und Zoll und sind bereits eine Stunde nach der Landung in unserem Hotel. Nach einer kurzen Nacht geht es am nächsten Morgen wieder weiter: in gut 2 Stunden fliegen wir von Delhi nach Guwahati, wo wir kurz nach Mittag ankommen.

Ein paar Kilometer östlich des Flughafens kurven wir auf einen kleinen Hügel hinauf, um den Kamakhya-Tempel zu besuchen. Hier verehren die Anhänger des Shakti-Tantrismus die Göttin Kamakhya, eine blutrünstige Inkarnation der Göttin Durga. Noch bis 1832 wurden ihr Menschenopfer gebracht: Gläubige stellten sich freiwillig zur Verfügung und wurden nach ihrem Opfertod als Heilige verehrt. Heute beschränken sich die Opfer auf das Schlachten von Tieren, insbesondere von Ziegen. Aber selbst dies ist noch ein gewöhnungsbedürftiges Spektakel. Im Tempelareal werden die weissen Ziegen von der Opferung verschont, dafür werden sie mit der hier omnipräsenten roten Farbe „geschmückt“. Auch einzelnen Tauben wiederfährt diese Ehre, was schon ziemlich lustig aussieht. Das innerste Heiligtum des Tempels ist den Hindus vorbehalten, diese stehen für dessen Besuch zu bestimmten Öffnungszeiten stundenlang an.

Durch die engen Strassen von Guwahati fahren wir im dichten Verkehr langsam Richtung Südosten. So richtig mühsam wird es allerdings erst kurz nach Dispur, der eigentlichen Hauptstadt von Assam am Rand von Guwahati. Dort findet eine Demonstration zur Unterstützung des höchst umstrittenen neuen Einwanderungsgesetzes statt, dass allen Flüchtlingen aus den umliegenden Staaten die erleichterte Einbürgerung gestattet, sofern sie nicht Muslime sind. Noch kurz vor unserer Ankunft fanden gewalttätige Proteste mit mehreren Toten statt, in der Zwischenzeit hat sich die Lage aber sichtlich beruhigt. Die Teilnehmer an der heutigen Demonstration sind offenbar mehrheitlich „gekauft“, sie erhalten neben Transport und Verpflegung noch ca. 250-300 Rupien (4-5 Franken) für die Teilnahme. Für uns bedeutet die Veranstaltung Schrittempo während einer Dreiviertelstunde.

Nach fast 12 Stunden (!) Schlaf gibt es auf dem letzten Drücker das Frühstück, den Rest des Tags verbringen wir mit Faulenzen und einem kleinen Spaziergang durch den Kiefernwald (wir sind auf ca. 1000m.ü.M) zum nahe liegenden See.

Dann bewegt sich der Verkehr wieder besser und wir fahren auf einer guten, aber kurvigen Strasse durch eine hügelige Landschaft mit üppigem Grün. Vor allem Betel-Palmen, Ananas-Sträucher und Bambus prägen das Bild. An einem Strassenstand erhandeln wir uns einen Bund Bananen und ein paar Mandarinen zur Stärkung für die Weiterfahrt. Nach einem kurzen Bio-/Teestop kommen wir um 17:30 kurz nach der schnell eintretenden Dunkelheit zu unserem schönen Hotel etwas oberhalb eines Stausees im Süden von Shillong. Das Zimmer ist riesig und kühl, dafür geniessen wir nach dem hervorragenden Nachtessen ein wärmendes Chemineefeuer und später die Bettflasche unter der Bettdecke.

6.1.2020: Fast bis Bangladesh

Nach dem wechselhaften Wetter von gestern erwartet uns heute strahlender Sonnenschein. Wir verlassen das Gebiet am Umiam Lake und fahren auf einer erst vor 5 Tagen eröffneten Strasse Richtung Shillong. Hier rumpelt es zwar ähnlich wie auf einer alten Strasse, dafür hat es aber noch fast keinen Verkehr. Trotz unserer Museumsallergie besuchen wir das Don Bosco Museum, in dem ein umfassender Überblick über die unzähligen nordostindischen Volksstämme, deren Kulturen und Bräuche präsentiert wird.

Auf dem Weg Richtung Süden machen wir einen kurzen Halt bei einem Wasserfall, der infolge der Trockenzeit unspektakulär wenig Wasser führt. Auch die meisten Felder sind infolge des saisonal bedingten Wassermangels trocken und braun. Wir verweilen dann länger in einer Schmiede-Werkstätte, in der in mühseliger und schweisstreibender Handarbeit Werkzeuge für die Werkstatt- und Feldarbeit hergestellt wird. Die Betelnüsse scheinen die Jungs allerdings gut bei Laune zu halten, fröhlich hauen sie auf die glühenden Eisen ein. Unterwegs kommen wir an vielen Steinbrüchen vorbei, in denen das Material für den lokalen Bau gewonnen wird. Auch sieht man immer wieder mal eine Kohlemine, selbstverständlich wird auch hier ausschliesslich von Hand gearbeitet.

Nach einer Mittagspause mit Dosas und einem kleinen Abstecher zu einer Höhle direkt am Rande des Abgrunds erreichen wir unsere Lodge, die knapp unterhalb der Hochebene liegt und von der aus wir einen Blick bis in die Ebene von Bangladesh hätten. Da aber im Laufe des Nachmittags starker Dunst den Abhang hochzieht, müssen wir uns bis morgen früh gedulden. Bis zur Grenze sind es nur noch 6-7km, in diesem Gebiet ist der Übertritt allerdings nicht möglich.

7.1.2020: Die Living Roots-Brücken

Bei schönstem Wetter und angenehmen Temperaturen fahren wir heute früh auf einer zunehmend holprigen Schotterpiste etwa 600m von der Hochebene in einen tiefen Einschnitt hinunter. Etwa 400m über dem Talboden ist dann die Strasse zu Ende, von nun geht’s zu Fuss bergab. Mit einem jungen, einheimischen Führer geht es auf guten Treppenstufen stetig bergab. Die Göttergattin hat ihre High Tech-Wanderstöcke dabei, der Schreibende verzichtet auf die von den Kindern dutzendfach angebotenen Bambusstöcke. Die Atmosphäre im subtropischen Regenwald ist einzigartig. Unten rauscht ein kleiner Fluss und weit über uns ragen die Felsen senkrecht bis auf die Hochebene hinauf. Unser Guide erklärt viel Interessantes über die Pflanzen des Waldes und deren Nutzung zu Heil- und Nahrungszwecken.

Nach etwa 300 Höhenmetern kommen wir zum ersten Dorf und gleich dahinter zur ersten Wurzelbrücke. Diese ist die längste in diesem Gebiet und schon deshalb extrem spektakulär. Sie wurde erstellt, um den Dorfbewohnern den Weg zum Markt in Cherrapunchji zu ermöglichen. Die Konstruktionsmethode ist wohl weltweit einzigartig: von zwei zu diesem Zweck gepflanzten Gummibäumen werden die Wurzeln mit Bambus- und Betelpalmen-Stangen so gerichtet, dass sie mit der Zeit Basis und Geländer einer natürlichen Brücke über den Fluss werden. Das braucht allerdings seine Zeit. Je nach Länge soll es ca. 50 Jahre dauern, bis eine solche Brücke benutzbar ist. Das heisst letztlich auch, dass die Leute hier sehr langfristig über die eigene Nasenspitze hinaus denken und handeln.

Nach der Traversierung von 2 weiteren (künstlichen) Hängeseilbrücken kommen wir zur berühmten Double Decker Root Bridge. Diese hat gleich zwei Ebenen. Die untere wird zur Monsunzeit offensichtlich immer wieder überflutet, sodass man mit der Zeit aus dem gleichen Baum eine zweite höher oben erstellt hat. Wir erholen uns hier etwas und schauen den Kindern beim Spielen und dem Füttern der unzähligen Fische zu. Etwas weiter bachabwärts haben zwei Frauen Grosswaschtag am Fluss. Waschmaschinen kennt man hier noch nicht. Auch sonst geht es noch sehr einfach zu und her. Die Dorfbewohner haben keine andere Möglichkeit, als zu Fuss bis zur Strasse hinauf zu gehen und alles Lebensnotwendige, das sie nicht aus dem Wald beschaffen können, hierher zu tragen. Die Zufriedenheit der Leute scheint dadurch aber nicht geschmälert zu werden.

Für uns heisst es jetzt, den Aufstieg wieder unter die Füsse zu nehmen und nach etwas eineinhalb Stunden sind wir wieder zurück bei unserem Fahrzeug. Alles in allem sind wir wohl über mehr als 7000 Treppenstufen auf und ab gestiegen. Es zeigt sich wieder einmal: das richtig Gute gibt es nie gratis!

8.1.2020: Zurück nach Shillong

Der Blick von einer nahen Aussichtsplattform an den steilen, bewaldeten Abhang am Ende der Hochebene bis hinaus in die auch heute unter einer Nebeldecke liegenden Ebene von Bangladesh ist absolut spektakulär. Auch die Aussicht auf einen der wenigen Wasserfälle, die aktuell Wasser führen, ist eindrücklich. Über mehr als 150m fällt das Wasser nach unten und wird dort in einem türkisblauen kleinen See aufgefangen.

Auf dem Weg nach Norden stoppen wir in Cherrapunji auf dem kleinen Markt, wo sich die lokale Bevölkerung für den täglichen Bedarf eindeckt. Dies ist mehr oder weniger das heutige Markt-Notprogramm, denn heute findet ein landesweiter Generalstreik gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung statt. Unser Guide hat Bedenken, ob der grosse Markt in Shillong überhaupt geöffnet ist. Völlig unrecht hat er mit dieser Befürchtung nicht, denn ganz Guwahati hat eine 24-stündige Ausgangssperre. Unser Timing stimmt also, denn heute wären wir definitiv nicht auf unser Schiff gekommen.

Unterwegs müssen wir noch eine weitere Pause einlegen, unser Auto hat nämlich einen platten Reifen und das Ersatzrad muss möglich rasch repariert werden. In einer Teestube am Rand der Strasse genehmigen wir uns eine kleine Stärkung und dann geht es schon bald wieder weiter.

In Shillong, einer ehemaligen Britischen Hillstation, steigen wir inmitten des Verkehrschaos an einem Kreisel aus. Der Markt ist lebendig wie jeden Tag, also nichts mit Auswirkungen des Generalstreiks. Wir stürzen uns in das Getümmel und nehmen den Lärm, die Farben, das Spiel des Lichts und die tausend Düfte in vollen Zügen auf. Natürlich erstehen wir auch noch das Eine oder Andere, schliesslich muss das Geld in den Umlauf.

Auf dem Weg nach Norden stoppen wir in Cherrapunji auf dem kleinen Markt, wo sich die lokale Bevölkerung für den täglichen Bedarf eindeckt. Dies ist mehr oder weniger das heutige Markt-Notprogramm, denn heute findet ein landesweiter Generalstreik gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung statt. Unser Guide hat Bedenken, ob der grosse Markt in Shillong überhaupt geöffnet ist. Völlig unrecht hat er mit dieser Befürchtung nicht, denn ganz Guwahati hat eine 24-stündige Ausgangssperre. Unser Timing stimmt also, denn heute wären wir definitiv nicht auf unser Schiff gekommen.

Das letzte Highlight von heute ist die Tageslotterie. Zuerst platzieren wir natürlich eine kleine Wette, damit sind wir sozusagen mittendrin und nicht nur dabei. Das Wett-Ticket ist ein abgerissener Streifen Papier, auf dem unsere Nummern von Hand notiert werden. Etwa 30 Bogenschützen sitzen in einem Halbrund vor einem Zielkörper aus Stroh und schiessen viele Hundert Pfeile auf dieses Ziel. Am Ende wird die Anzahl Treffer ausgewertet, heute sind es 602. Die letzten zwei Ziffern sind das Resultat der heutigen Lotterie, also 02. Wir haben auf 01 gewettet, aber knapp daneben ist auch vorbei. Unmittelbar nach der Auszählung wird wie wild telefoniert und in allen Dörfern von Meghalaya sind die Wettschalter sofort über das Resultat im Bild.

Langsam geht die Sonne unter und sofort wird es nach den angenehmen Tagestemperaturen wieder merklich kühler. Zeit, in unser Hotel zu fahren, einem tollen alten Gebäudekomplex, das dem König von Tripura gehört. Er ist allerdings nicht da, hierher kommt er nur für die Sommerferien. Wir sind bestens aufgehoben und geniessen – nachdem wir den Heizlüfter in Gang gebracht haben – den Rest des Tages mit Nichtstun und dem Aussortieren der Fotos.

9.1.2020: Start zur Brahmaputra-Cruise

Nach einer frühen Tagwache verlassen wir unser Maharadja-Hotel ohne Frühstück, dafür ausgerüstet mit einer eher dürftigen Sandwich-Tüte (Unterernährung ist hier allerdings nicht unser Problem). Wir sind derart früh unterwegs, dass der sonst chaotische Verkehr in Shillong noch nicht eingesetzt hat. Kein Wunder, denn in den privaten Firmen beginnen die Bürozeiten um 09:00, bei den Regierungsbehörden sogar erst um 10:00. Dafür schliessen letztere um 16:30 wieder, die Mittagspause dauert nur eine dürftige Stunde.

Die Fahrt nach Guwahati durch die saftig grüne Hügellandschaft geht zügig voran, nur an einer Zahlstelle für den Strassenzoll staut sich der Verkehr ein wenig. In der Stadt geht es dann wieder wieder zäh voran, aber wir erreichen einigermassen pünktlich unser Schiff am Ufer des Brahmaputra. Dieses haben wir für die nächsten drei Tage ganz alleine für uns, fast etwas viel Luxus!

Wir legen gleich ab und nach einer guten Stunde Fahrt flussabwärts kommen wir nach Sualkuchi, einem so genannten „Dorf“ mit 300 – 500‘000 Einwohnern. Der ganze Ort ist der Seidenproduktion gewidmet. Wir lassen uns zuerst die Zucht von zweierlei Seidenraupen zeigen und besichtigen dann eine kleine, private Weberei, in der 5 Frauen neben den beiden lokalen Seidensorten auch die Seide der Maulbeerraupe verarbeiten. Ein bisschen Shopping mit Tee gehört dazu, bevor wir uns per Tuk Tuk wieder zurück zu unserem Schiff begeben. Ein Trauerzug ist knapp vor uns unterwegs zum Verbrennungsplatz, wo gerade die Vorbereitungen für die Leichenverbrennung im Gange sind.

Den ganzen Rest des Tages verbringen wir auf einer gemütlichen Fahrt flussaufwärts und lassen die Landschaft ruhig an uns vorbeiziehen. Nach Sonnenunterang werfen wir die Anker an einer Sandbank aus, bevor wir mit einem super Nachtessen verwöhnt werden.

10.1.2020: Gemütlich Richtung Osten

Der Brahmaputra (Sohn des Gottes Brahma) ist mit mehr als 3000km Länge einer der grössten Flüsse der Welt. Er entspringt im Tibet in der Nähe des Gang Rinpoche (Kailash), wo er den Namen Yarlung Tsangpo trägt. Dort ist er – auf etwa 3600 müM. – der weltweit höchst gelegene Schiffahrtsweg. Er fliesst dann auf ca. 1700km ostwärts entlang dem Nordrand des Himalaya, bevor er in die Tsangpo-Schlucht fliesst, eine der tiefsten Schluchten der Welt. Hier schneidet er sich durch den Ost-Tibet, verliert dabei rund 2900 Höhenmeter und macht eine 180°-Wende. Er fliesst weiter durch Arunachal Pradesh in die Assam-Ebene, wo er bis zu 15km breit wird. Er ist hier Segen und Fluch zugleich. Er bringt Wasser und Nährstoffe für die Felder, Rohstoffe für viele Handwerksarbeiten, aber auch Überflutung und Zerstörung in der Monsunzeit. Im Westen der bengalischen Tiefebene heisst der Fluss nun zunächst Jamuna, bevor er sich mit dem Ganges vereint und unter diesem Namen Richtung Süden im 200km breiten, grösstflächigen Delta der Erde in den Golf von Bengalen fliesst.

Die völlige Ruhe der Nacht wird nur sporadisch vom Platschen abbrechender Sandbrocken ins Flusswasser gestört. Bei Tagesanbruch startet der Kapitän den Schiffsdiesel und wir tuckern weiter mit konstant 7-8km/h flussaufwärts. Auf den Sandbänken sind vielerorts grössere Felder angelegt, zwischendurch sieht man auch ein paar Hütten von Bauern, die diese Felder bewirtschaften. Es sind vorwiegend Immigranten aus Bangladesh, die sich hier während der Trockenzeit niedergelassen haben. Sie und auch die Bewohner der grösseren Dörfer müssen vor der Monsunzeit das Gebiet verlassen, um sich weiter weg vom Fluss niederzulassen. Bis zu 2-3m steigt der Wasserpegel an und überflutet Felder und Behausungen.

Wir machen einen Halt beim Dorf Tulshibori, wo uns Heerscharen von Kindern und Frauen erwarten. Wir spazieren durch das weitläufige Dorf, wo bei jeder Strohhütte schöne Gemüsegärten angelegt sind. Bäume mit Mangos, Zitronen und vielen anderen Früchten stehen dazwischen und etwas ausserhalb sind grosse Felder mit Mais, Senf, Kohl und anderem Gemüse angelegt. Die Bewohner des Ortes sind mehrheitlich Muslim, weshalb Alkohol hier offiziell kein Thema ist. Mit Marihuana scheint man jedoch kein Problem zu haben, das Kraut wächst munter an allen Ecken und Enden. Und gemäss unserem Guide wird es auch ausgiebig geraucht. Die Schule des Dorfes bestand einmal aus zwei Gebäuden, seit aber nicht mehr genügend Lehrer hier sind, wurde der eine Teil in einen Kuhstall umgewandelt. Wir verteilen unsere Sugus an die uns immer noch begleitenden Kinder. Entlang des Flusses spazieren wir noch ein Stück und werden von unserem Boot beim „Hafen“ des Dorfs wieder abgeholt. Bis dorthin führt von der weit entfernten Hauptstrasse her auch ein kleiner Weg, auf dem Tuk Tuk’s und Motorfahrräder verkehren. Innerhalb des Orts gibt es mehr oder weniger nur schmale Trampelpfade zwischen den Feldern, die Fortbewegung erfolgt fast ausnahmslos zu Fuss.

Für den Rest des Nachmittags lassen wir den ruhigen Film der Flusslandschaft an uns vorbeiziehen und geniessen das süsse Nichtstun. Glutrot geht gegen 17:00 die Sonne im Westen unter und fast synchron steigt im Osten der Vollmond auf.

11.1.2020: Tezpur

Etwa zur üblichen Zeit verlassen wir unsere Sandbank und bewegen uns weiter flussaufwärts Richtung Osten. Gemütlich geht es vorwärts und wir faulenzen in den Tag hinein. Die Temperaturen sind nochmals etwas höher als gestern, sodass es auf dem Sonnendeck trotz Fahrtwind richtig angenehm ist.

Nach dem Mittagessen legen wir in Texpur an, einer mittelgrossen Stadt am Nordufer des Brahmaputra. Wir chartern ein Thom Thom (die elektrische Version der Auto-Rikschas/Tuk Tuks) und machen uns auf zu einer kleinen Stadtrundfahrt. Ein naher Hügel ist dem Andenken an eine legendäre Schlacht zwischen den Göttern Vishnu und Krishna gewidmet, bei der soviel Blut geflossen sein soll, dass die Stadt den Namen „Stadt des Blutes“ erhalten hat. Unser Führer erläutert uns die Geschichte von feuriger Liebe, Eifersucht, Intrigen und epischer Schlacht in blumigen Details und man hört die Prinzen und Prinzessinnen förmlich schmachten und die Schwerter klirren. Dann statten wir der Ruine eines Palasts, der in vorgenanntem Epos ebenfalls eine Rolle gespielt hat, einen Besuch ab. Viel mehr als eine Ansammlung von schönen Steinmetzarbeiten sieht man leider nicht. Auch beim dritten Ort, einer Tempelruine, ist nicht viel zu sehen. Umso interessanter, farbiger und lärmiger ist dafür die Fahrt durch die Stadt, vorbei an Hunderten von Ständen und Geschäften, an einer stillgelegten Bahnlinie mit einem maroden Bahnhof und schönen Gärten und Pärken.

Langsam wird es Abend und wir legen noch das letzte Stück unserer Flussreise zurück bis zur nächsten Sandbank gegenüber von unserem morgigen Ziel, dem Hafen von Silghat. Zur Feier des letzten Abends entzündet die Crew ein Feuer auf der Sandbank für uns und überrascht uns mit einer Flasche indischem Weisswein. Der Koch bringt ein Gericht nach dem anderen, bis uns fast die Bäuche platzen.

12./13.1.2020: Kaziranga-Nationalpark

Zum Abschluss unserer Schiffsreise turnen die seltenen Flussdelphine mit ihren spitzen Schnauzen um unser Boot herum. Die Fischer freut’s, denn die Delphine treiben die vor ihnen flüchtenden Fische in ihre Netze. Für uns geht es weiter Richtung Osten und nach einer knappen Stunde sind wir bereits in unserer Lodge am kleinen Diphlu River, dem einzigen Fluss, der den Kaziranga-Nationalpark durchquert.

Wir sind in dieser wunderschönen Lodge hervorragend aufgehoben. Unser lokaler Guide hat ein durchgetaktetes Programm für uns bereit, sodass die Zeit optimal ausgenützt ist. Wir lassen aus Rücksicht auf die Tiere das Elefantenreiten bleiben und machen insgesamt drei Jeep-Safaris, auf denen wir Fauna und Flora in diesem Weltnaturerbe in vollen Zügen erleben. Der Park ist vor allem für die grosse Population der gefährdeten Panzernashörner bekannt, die sich hier in relativ kurzer Zeit stark vermehren konnten. Speziell ist auch, dass der grösste Teil der Parkfläche in der Monsunzeit völlig überflutet wird und die Tiere dann in höhere Regionen fliehen müssen. Für die Eindrücke lassen wir die Bilder sprechen.

14.1.2020: Kaziranga - Jorhat

Heute können wir wieder einmal etwas länger schlafen. Unser Führer Deep holt uns pünktlich wie ein Schweizer Ührli um 09:30 ab, dann fahren wir auf einem Seitenast des Asian Highway 1 Richtung Jorhat. Wir kommen an riesigen Teeplantagen vorbei, die durch Akazien als Schattenspender und Regenschirme nach oben abgedeckt sind. Die Strasse ist zunächst sehr gut, vor Jorhat wird sie dann rumpliger.

Wir umfahren die Stadt auf der Nordseite bis zum Dhekiakhowa Bornamghar, einem Tempel im Assam-Stil. Das spezielle an dieser Art Tempel ist, dass es hier eigentlich keine der sonst üblichen Statuen gibt, sondern dass hier das heilige Buch verehrt wird, das im innersten des Tempels aufbewahrt wird. Hier brennt seit bereits fast 500 Jahren eine Öllampe, die natürlich sorgfältigst gepflegt wird. Bei unserer Ankunft sind die lauten Gebete in vollem Gang. Wir werden vom Administrator zu einem Tee eingeladen, erhalten einen traditionellen Schal umgehängt und tragen uns ins Gästebuch ein. Natürlich braucht es auch ein Erinnerungsfoto aus allen verfügbaren Kameras und Handys. In der Zwischenzeit sind die Gebete fertig und jetzt wird Essen an alle verteilt, auch wir bekommen davon. Im Wesentlichen gibt es ungekochte, im Wasser aufgequollene Linsen und Bohnensprossen mit Kokos-Stücken sowie gekochten Klebreis und einen süssen Knollen aus Milch und sonst irgendwas. In der Überzeugung, dass unsere Mägen gegen alles resistent sind, essen wir munter mit und nehmen den Rest wie alle andern in einem Plastiksack mit auf die Weiterreise. Beim Weggehen hechtet ein älterer Besucher aus seinem Auto, begrüsst uns überschwänglich und stellt uns Frau, Tochter und Enkelin vor. Dass wir aus Switzerland kommen, findet er absolut sensationell und natürlich machen wir auch hier ein Erinnerungsfoto.

Auf dem Weg zum Hotel fahren wir quer durch das Verkehrschaos von Jorhat und schlendern durch die Menschenmassen des lokalen Marktes. Da heute und morgen eines der drei grossen Festivals in Assam stattfindet (das Erntedankfest) sind alle auf den Beinen, um das Beste für das Festmahl einzukaufen. Fisch ist besonders wichtig, sodass es bei sehr vielen Händlern diesen in allen Arten und Grössen zu kaufen gibt. Je mehr er noch zappelt, umso besser (heisst frischer). Am anderen Ende der Skala findet sich der einsame Ladenhüter auf einer Plastikblache im Strassenstaub, der im warmen Nachmittagslicht von Fliegen umschwärmt ein Sonnenbad nimmt. Überall werden wir freundlich begrüsst. Man hat hier sichtlich Freude, Fremdlinge zu sehen, die ausserdem alles noch so Alltägliche mit der Kamera einfangen.

Unser Hotel etwas südlich der Stadt ist ein tolles Landhaus mitten im gar nichts. Es gehört einer Familie, die mit dem Teeanbau reich geworden ist. Sie ist schon vor etwa 20 Jahren nach Guwahati gezogen und hat in der Folge ihre schöne alte Villa in ein Gästehaus umgewandelt. Wir sind die einzigen Gäste heute und fühlen uns entsprechend königlich (nachdem wir bereits in der Kaziranga-Lodge im gleichen Bungalow wie die herzoglichen Kate und William gewohnt haben).

15.1.2020: Majuli Island

Morgens um Sieben ist die Welt noch in Ordnung. Für die Verkehrsverhältnisse rund um Jorhat stimmt das jedenfalls. Nach den Festivitäten von gestern Abend, die meist die ganze Nacht über gedauert haben, ist kaum jemand unterwegs. So kommen wir zügig voran und sind mehr als eine halbe Stunde vor dem geplanten Start beim Abfahrtsort der Fähre.

Von Fahrplan zu sprechen, wäre etwas übertrieben. Man fährt, wenn das Schiff voll oder überfüllt ist oder wenn es sonst einen guten Grund dafür gibt. Starker Dunst ist eher ungünstig, die Navigation erfolgt auf Sicht und so warten wir schliesslich fast eine Stunde, bis der Kahn ablegt. Die Auslastung ist gut und die Sicherheit ist unter Kontrolle. Auf geschätzte 150 Fahrgäste hat es immerhin 3 Rettungsringe und 2 Schwimmwesten. Interessant ist auch die Preisliste: Pro Passagier kostet die Überfahrt 15 Rupien (gut 20 Rappen), gleich viel wie für ein Kalb oder ein Schwein. Ein Büffel kostet bereits 45 Rupien und wenn wir einen Elefanten mitgebracht hätten, wäre uns das auf 907 Rupien zu stehen gekommen. Der Mahut (Elefantenführer) ist dann bereits im Preis inbegriffen.

Unser Auto haben wir am Südufer des Brahmaputra zurückgelassen, auf der Majuli-Insel holt uns ein lokaler Fahrer ab. Wir kommen zuerst zum Auniati Satra, einem der größten Klöster auf der Insel. Hier wohnen ca. 400 Mönche, quer durch alle Altersgruppen. Dadurch, dass es für gläubige Familien eine gewisse Verpflichtung darstellt, einen ihrer Söhne als Priester in eines der Klöster zu schicken (wo er den Rest seines Lebens bleibt), ist im Moment der Nachwuchs für die 22 Satras auf der Insel sichergestellt. In der grossen Halle findet eine Gebetszeremonie statt, ein monotoner, schöner und eindrücklicher Singsang einiger Mönche. Aus Anlass des Bihu-Festivals brennt auch ein Feuer, in dem nach einem klar festgelegten Ritual verschiedene Nahrungsmittel geopfert werden. Als nächstes besuchen wir eine Maskenwerkstatt. Die hier hergestellten Masken werden für die traditionellen Tanzaufführungen verwendet. Als Basis dient ein Geflecht aus Bambus, das mit einem Baumwollgewebe und einer Mischung aus Kuhdung und Lehm überzogen wird. Zuletzt erfolgt die kunstvolle Bemalung. Rund 5 Tage dauert die Produktion einer einzelnen Maske. Der Inhaber ist offensichtlich eine Koryphäe, jedenfalls hat er für seine Kunst an einer lokalen Universität den Ehrendoktor-Titel erhalten. Zum Mitnehmen sind die Dinger leider etwas gross.

In einem kleinen Restaurant machen wir eine kurze Pause, das Angebot beschränkt sich allerdings auf Gebäck und Tee. Das Personal kämpft offensichtlich noch mit dem Hangover der letzten Nacht. So sind wir bald wieder auf Achse und kommen zu einem weiteren Kloster, wo extra für uns eine Musikvorführung gemacht wird. Sechs Mönche singen und tanzen für uns, sie begleiten sich dabei mit Trommeln und Zimbeln. Wir werden für die Weiterreise gesegnet und so kann uns auf der Rückfahrt mit der Fähre nichts passieren. Das Boot ist bei weitem nicht so überfüllt wie am Morgen, obwohl es wesentlich kleiner ist. An der Anlegestelle werden wir wieder abgeholt und bei Sonnenuntergang treffen wir nach einem weiteren tollen und erlebnisreichen Tag auf unserem Landgut ein.

16.1.2020: Hinauf ins Nagaland

Kurz nach 7 Uhr verlassen wir unser schönes Herrschaftshaus und machen uns auf den langen Weg. Zuerst fahren noch eine knappe Stunde Richtung Osten zum Hoollongapar Gibbon Sanctuary. Die einzigen Gibbon-Affen von Indien leben in diesem relativ kleinen Reservat. Sie bewegen sich ausschliesslich in den Bäumen, auf den Boden kommen sie nie. Sie leben als Familie (Vater, Mutter und Kinder) zusammen, 51 dieser Familien gibt es im Moment. Da wir früh genug dran sind, haben wir Glück und können ganz nahe beim Eingang des Parks einer dieser Gruppen beim Morgenturnen zusehen. Wir machen uns dann auf einen Spaziergang in den Wald hinein, begleitet von einem Naturguide und beschützt von einem bewaffneten Wildhüter. Im Reservat leben nämlich neben den harmlosen Affen unter anderem auch Elefanten und Leoparden. Diesen will man uns nicht ungeschützt ausliefern. Ausser einem riesigen Eichhörnchen (eher -horn) sehen wir keine weiteren Tiere mehr, geniessen aber dafür umso mehr die Farben und Stimmen des Urwalds.

Auf dem Seitenast des Asian Highway 1 geht es dann südwärts Richtung Dimapur. Ein Highway-Feeling kommt nicht wirklich auf, wir rumpeln nämlich kaum jemals schneller als mit 40 km/h über die zeitweise ungeteerte, staubige Strasse. Wir halten zwischendurch bei einer riesigen Teeplantage an, wo die Arbeiterinnen gerade damit beschäftigt sind, die Sträucher so zurückzuschneiden, dass sie zu Beginn der Monsunzeit die Blätter optimal austreiben. Als Schutz gegen die roten Spinnen (welche die Blätter fressen und deren Weiterwachsen verhindern) wird ausserdem irgendein Gift gesprüht, wahnsinnig gesund ist das wahrscheinlich nicht.

Nachdem wir an der Grenze Assam / Nagaland den Polizeit-Checkpoint erfolgreich passiert haben, vertreten wir uns auf dem lokalen Markt noch etwas die Beine. Wir verzichten auf den Einkauf von Schnecken, Raupen, Fröschen und weiteren, hier nicht zu erwähnenden Lebewesen und lassen es bei ein paar Orangen und Bananen bewenden. Es wird gesagt, dass die lokalen Bewohner alles essen, was vier Beine hat, ausser Tische und Stühle, sowie alles was fliegt, ausser Flugzeuge.

Jetzt geht es in die Hügel, immer weiter auf unserem AH 1. Dieser ist grösstenteils ein besserer Karrenweg, sodass wir nur schleppend vorankommen. Auf praktisch den ganzen 70km wird an der Verbreiterung der Strasse gebaut, für die Hauptachse von Assam zur burmesischen Grenze ist das wohl bitter nötig. Unterwegs bekommt unser Fahrer Hunger, sodass wir bei einer kleinen Ansammlung von einfachen Essbuden einen Verpflegungshalt einlegen. Ob das Reis mit Huhn aus dem Blechteller den minimalen Hygieneanforderungen standhält, werden wir in den nächsten Stunden wissen (bis jetzt sieht es gut aus!).

Die Weiterfahrt führt uns durch eine schöne Hügellandschaft mit bewaldeten Abhängen in allen Grüntönen (nur entlang der Strasse wachsen uns bislang nicht bekannte Staubbäume). Wir haben immer wieder tolle Ausblicke auf die Hügel und Täler des Nagalands. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit kommen wir oben auf der Hügelkante in Kohima auf 1440müM. an, ziemlich müde und durchgeschüttelt. Wir haben zwar nur etwa 210km zurückgelegt, dafür aber rund 7 Stunden Fahrzeit gebraucht.

17.1.2020: Im Land der Kopfjäger

Bei herrlichem Sonnenschein stehen wir auf. Aus unserem Zimmer haben wir eine tolle Aussicht auf die Hügel der Umgebung. Nach dem Frühstück holpern wir durch die Stadt und fahren rund 20km zum Angami-Dorf Khonoma. Dieses hatte im 19. Jahrhundert eine gewisse historische Bedeutung, weil hier der letzte Kampf zwischen den Engländern und den Nagas stattfand. Auch heute noch verstehen sich die Nagas als eigenständig, sie lehnen eigentlich auch heute noch die Integration in den indischen Staat ab. Seit die Zentralregierung aber vermehrt Investitionen in die Infrastruktur vornimmt, schwächt sich der Widerstand gegen die indische Regierung langsam etwas ab. Dass die Bewohner hier ein völlig anderes Volk sind, ist aus den Gesichtszügen die mongolisch-asiatische Abstammung deutlich sichtbar. Seit wenigen Jahrzehnten sind die Nagas keine Kopfjäger mehr, bis dahin wurde diese Tradition aber rege gepflegt (wenn auch seit 1947 verboten). So fühlen wir uns bei der Besichtigung des Dorfes restlos sicher. Wir werden überall freundlich begrüsst, wahrscheinlich kommt hier nicht alle Tage ein Europäer hin. Besonders gut scheint es den Männern zu gehen. Ihre Frauen sind gerade mit Sack und Pack zu einem dreitägigen baptistischen Konvent abgereist.

Wieder ist es noch dunkel, als wir unser Hotel verlassen. Wir fahren ungefähr eine halbe Stunde zum Eingang des Nationalparks Sinharaja, wo wir kurz nach 06:30 eintreffen. Wie schon im Knuckles-Reservat begleitet unser versierter lokaler Nature-Guide Danuskha. Diesmal bringt er keinen Supportstaff mit, dafür bekommen wir noch einen zusätzlichen Führer des Nationalparks. Offiziell aus Sicherheitsgründen, in Wahrheit wohl eher aus beschäftigungspolitischen Überlegungen. Anfangs geht es noch ziemlich steil bergauf, nachher kommen wir aber auf einen relativ breiten und mehr oder weniger ebenen Weg durch den Regenwald. Das Gebiet von Sinharaja ist der letzte verbliebene grosse Regenwald in Sri Lanka und seit 1988 Teil des UNESCO-Weltnaturerbes. Vor allem die Vogel-Vielfalt ist enorm, genauso schön sind aber auch die Pflanzen und Bäume in allen Grüntönen. Die vielen Geräusche aus dem Urwald ergeben ein wahres Naturkonzert und das erste Sonnenlicht trägt das Seine zur faszinierenden Morgenstimmung bei.

Die nächste (kurze) Station ist der Kriegsfriedhof von Kohima. Hier fand 1944 die entscheidende Schlacht gegen die Richtung Indien vorrückenden Japaner statt, die letztlich nach langen und besonders verlustreichen Kämpfen von den englisch-indischen Truppen gewonnen wurde. Damit war der Vormarsch der Japaner gestoppt und insbesondere die Nachschublinie Richtung China wieder gesichert. Da wir dem Besuch von Friedhöfen nur einen begrenzten Reiz abgewinnen können, sind wir bald wieder auf der Weiterfahrt.

Wir besuchen jetzt das Heritage-Dorf, in dem jährlich im Dezember das bekannte Hornbill-Festival stattfindet. Jedem der 16 Stämme des Nagalands ist eine eigene Häusergruppe gewidmet. Es ist interessant, wie sich diese Häuser trotz einer gleichen Grundbauweise z.t. sehr deutlich unterscheiden.

Dann fahren wir noch nach Kigwema, einem zweiten Angami-Dorf im Süden von Kohima. Die Häuser sind hier noch etwas mehr im traditionellen Stil gebaut, obwohl das Dorf beim ersten Angriff der Japaner 1944 fast komplett zerstört wurde. Wir dürfen das Haus eines älteren Mannes anschauen und sind beeindruckt, mit welch einfachen Mitteln dieser im 21. Jahrhundert noch haushaltet.Zum Abschluss des Tages bummeln wir noch ein paar Schritte durch das Verkehrschaos von Kohima und machen natürlich auch einen Abstecher zum kleinen Markt. Auch hier sind Raupen, Schnecken und Frösche im Angebot, aber derart spektakulär, wie zum Teil in Reiseführern beschrieben, ist das nun auch wieder nicht. Interessant ist auch, dass es keinerlei frischen Fisch zu kaufen gibt, dafür umso mehr getrocknete und geräucherte Fische und kleine Krebse.

18.1.2020: Kohima-Imphal

Am frühen Morgen fahren wir auf der AH 1 weiter Richtung Süden. Die Strasse ist zwar etwas besser, aber ein Highway ist es immer noch nicht. Durch die schöne Hügellandschaft geht es stetig leicht bergab. Im Dorf Mao (dass nichts mit dem gleichnamigen Chinesen zu tun haben soll), müssen wir einen weiteren Check-Point bewältigen. Wie wenn wir seit Tagen erwartet worden wären, werden wir bereits auf der Strasse mitten im Menschengewühl von einem Polizeibeamten in Zivil begrüsst. Er führt uns an einer grösseren Warteschlange vorbei in den oberen Stock. Dort bekommen wir eine ultrafreundliche Sonderbehandlung. Der Polizist füllt die Formulare von Hand selber aus und stempelt dann unsere Pässe. Schliesslich verabschiedet er uns mit einem herzlichen Händedruck, verbunden mit dem Wunsch, dass wir ihn doch bald wieder besuchen sollen. Die Inder in der Schlange stehen immer noch und da es sich um eine ganze Busladung handelt, dauert die Übung für sie wohl gegen 2 Stunden. Seit der Einführung des höchst umstrittenen Citizenship Amendment Acts der Regierung Modi müssen nämlich Inder für das Passieren der Grenze Manipur-Nagaland wieder ein so genanntes Inner Line Permit haben, sonst gibt es Ärger.

Nach etwa viereinhalb Stunden kommen wir in Imphal an. Hier wurde offenbar das Polospiel erfunden und aktuell findet gerade ein internationales Frauen-Poloturnier statt. Aus diesem Grund sehen wir seit Menschengedenken wieder einmal Nicht-Inder. Beim Spiel selber schauen wir kurz durch das Gitter beim Spielfeld, das Gebotene ist jedoch nicht dazu geeignet, uns aus der emotionalen Reserve zu locken.

Umso mehr freuen wir uns am Ima-Markt, wo es nun wirklich alles zu kaufen gibt, was das Herz begehrt. Speziell ist, dass hier ausschliesslich Frauen die Waren verkaufen. Männer sind hier nur auf der Käuferseite zu finden, nur bei den Fischständen braucht es das starke Geschlecht für die gröberen Arbeiten. Hinter den Marktständen wird aus irgendeinem Anlass ein bollywood-mässiges Konzert geboten, das Gross und Klein völlig in seinen Bann zieht.

Wir schauen uns auch das Fort an, wo früher der König und später (bis zur Invasion durch die Japaner) ein englischer General gewohnt haben. Zum Abschluss des Tages wohnen wir im Govindajee-Tempel im spätnachmittäglichen Licht einer Hindu-Zermonie bei und werden dabei auch gesegnet und mit einem Feuerstäbchen beschenkt.

19.1.2020: Loktak-See

Heute kommt noch ein weiterer Führer mit uns, vermutlich aufgrund von lokalen Vorschriften. Gestern hatten wir bereits ein neues Fahrzeug bekommen, weil es hier andere Permits braucht.

Nach etwa eineinhalb Stunden kommen wir zum am Loktak-See liegenden Keibul Lamjao-Nationalpark, der der einzige schwimmende Nationalpark der Welt ist. Er ist ein Sumpf mit schwimmender Vegetation, die durch Anhäufung von organischem Müll und Biomasse mit Bodenpartikeln entstanden ist und die zu einer festen Form verdickt wurde. Heute ist dieser “Boden” zwischen 30 – 120cm dick und kann einzelne Menschen und Tiere tragen. Hier leben die vom Aussterben bedrohten Sangai-Hirsche, heute sind es wieder etwa 250. Vom Aussichtshügel aus sieht man zwar vereinzelte Tiere in weiter Ferne, das Erlebnis hält sich aber in engen Grenzen.

Auf der Fahrt zur Bootsanlegestelle überfallen wir eine Fischerfamilie in ihrem Haus und machen sonst noch den einen oder anderen Fotohalt. Von einem erhöhten Punkt aus haben wir eine tolle Sicht über den blau schimmernden See, auf dem an vielen Stellen mehr oder weniger kreisförmige Bereiche durch Schwimmpflanzen abgegrenzt sind, die für die Fischerei geschaffen wurden. Wir fahren mit einem Boot zu einer der kleinen, schwimmenden Insel, wo ein Fischer mit seiner Familie lebt. Als findiger Unternehmer hat er auf seinem kleinen Flecken sogar ein Restaurant mit Übernachtungsmöglichkeit eingerichtet.Auf der Rückfahrt nach Imphal besichtigen wir noch die Überreste eines Vishnu-Tempels in Bishnupur und den lokalen Markt. Zurück in der Stadt ist unsere letzte Station für heute die historisch und kulturell sehr interessante Sammlung eines lokalen Malers, der zu Ehren seines Vaters die RKCS-Galerie geschaffene hat. Dieser Vater hat die Geschichte von Manipur, insbesondere die diversen Kriege, in Dutzenden von Gemälden dargestellt.

20.1.2020: Auf dem AH1 nach Myanmar

Nach der Abfahrt ist vor der Abfahrt: unser zweite Guide hat nämlich sein Telefon im Hotel vergessen, sodass wir nach etwa 10 Minuten nochmals umkehren. Sonst verläuft der erste Teil der Fahrt ohne besonderen Ereignisse, wir fahren auf dem AH 1 an weiten, abgeernteten Reisfeldern vorbei Richtung Südosten.

Nach einer guten Stunde beginnt dann das Steigen: aus der Ebene von etwa 800m geht es hinauf auf einen Pass mit fast 1500m. Überall wird an der Strasse gebaut, sodass sie teilweise an den fertig gestellten Teilstücken hervorragend, teilweise aber auch einspurig und extrem holprig ist. Der Blick über die grünen Hügel und Täler ist fantastisch und trotz unzähliger Kurven ist die Fahrt ein echtes Erlebnis. Kurz vor der Passhöhe müssen wir an einem ersten Checkpoint des Militärs unsere Pässe zeigen. Dann geht es vorbei an einem grösseren Camp der Armee und schon beginnt die Fahrt bergab. An einem zweiten Checkpoint etwa 15km vor Moreh werden wir erneut kontrolliert, auch hier ist die Übung eher eine Formalität. Anders sieht es für die aus dem burmesischen Grenzort Tamu zurückkehrenden Fahrzeuge aus. Bis aus kleinste Detail werden sie kontrolliert, Lastwagen müssen ihre gesamte Fracht ausladen.

Kurz vor Mittag kommen wir nach Moreh, dem indischen Grenzort und fahren gleich in das neu erstellte Abfertigungsgebäude der Inder. Wir sind aktuell die einzigen Kunden und so geht das ganze Ausreiseprozedere trotz vielen Papieren zügig vonstatten. Wir verabschieden uns von unseren indischen Reisebegleitern. Unsere burmesische Crew ist bereits hier und so geht unsere Reise gleich weiter. Die Grenze überqueren wir auf einer Brücke, die bis zur Mitte weiss und danach gelb gestrichen ist. Diese zu fotografieren ist auf der indischen Seite strikte verboten, auf der burmesischen Seite ist das völlig problemlos. Das burmesische Einreisekabäuschen ist ein echtes Kontrastprogramm zum indischen Ausreisepalast: ziemlich einsam steht es am Strassenrand und man hat sichtlich Freude daran, dass wir für etwas Abwechslung sorgen.

Die Weiterfahrt führt uns über eine recht gute Strasse weitere 4 Stunden nach Süden bis nach Kalay, einer Stadt mit etwa 200‘000 Einwohnern. Immer wieder kommen wir über kleine, einspurige Gitterstahl-Brücken, deren Fahrbahn mit rumpligen Holzplanken belegt sind. Sie wurden alle während des zweiten Weltkriegs durch die Engländer gebaut. Mehr als Schritttempo ist hier nicht angebracht.In Kalay besichtigen wir vor dem Einchecken in unser einfaches, aber sauberes Hotel noch den Bahnhof. Nachdem wir den Chef der Lokremise mit „Mingalaba“ (Hallo auf burmesisch) begrüsst haben, erklärt er uns sein Reich und das darin befindliche Rollmaterial in allen Details in bestem Burmesisch. Wir sind damit sowohl zuversichtlich wie auch gespannt auf unsere morgige Zugfahrt.

21.1.2020: Kalay - Monywa

Wir ändern unseren ursprünglichen Plan für heute etwas und nehmen den Zug erst etwas südlich von Kalay. Damit können wir 2 Stunden länger schlafen, was sich am Ende des Tages als ausgesprochen sinnvoll herausstellt. Um 08:00 verlassen wir Kalay und fahren auf der AH 1 nach Mandaw. Unterwegs passieren wir eine einspurige Brücke, die sowohl für die Bahn wie für den Strassenverkehr benutzt wird. Gerade vor dem Zug umkurven wir mit Unterstützung des Bahnwärters die Barrieren und kommen zeitig vor der Bahn im nächsten Bahnhof an. Die Bahnhofstrasse ist nicht ganz so belebt wie in Zürich, beim Bahnhof warten aber schon einige Fahrgäste. Pfeifend und quietschend fährt unser Züglein ein und wir erobern uns ein Abteil. Die Sitze sind aus ziemlich hartem Kunsstoff, aber unser Führer Moon hat vorgesorgt und hat eine Sitzdecke für uns mitgebracht. So ist es ganz gemütlich und wir hottern mit durchschnittlich etwa 20km/h Richtung Süden. Die Landschaft zieht an uns vorbei wie in einem Film und so wird es uns auf der viereinhalbstündigen Fahrt nie langweilig. Irgendwo kreuzt sich unser „Downtrain“ mit dem „Uptrain“. Auf den Bahnhöfen warten Frauen mit Essen und Getränken, die sie während den kurzen Aufenthalten geschäftstüchtig verkaufen.

In Gangaw machen wir vor der Weiterfahrt noch eine Pause in einem Coffee-Shop und füllen die Bäuche mit einer Nudelsuppe. Dann geht es durch die grüne, hügelige Landschaft hinauf über zwei kleine Pässe auf je etwa 1500m. Immer wieder halten wir mal kurz an, einmal schauen wir uns die Herstellung von Sticky Rice in Bambus-Röhren an, das andere Mal die Gewinnung von Rohöl irgendwo im Nirgendwo. In kürzester Zeit hat sich hier ein Dorf mit etwa 300 Einwohnern gebildet und die Leute hoffen natürlich, dass die Ölquellen noch möglichst lange sprudeln.

Langsam bricht die Nacht herein und die letzten eineinhalb Stunden fahren wir durch die Dunkelheit. Auf der grossen Brücke nördlich von Monywa überqueren wir den Chindwin-Fluss und kommen um ca. 20:00 ziemlich gerädert im Hotel an.

22./23.1.2020: Von Monywa nach Mandalay

Wir sind wieder erholt und machen uns zu christlichen Zeiten nach einem kleinen Marktbummel auf die Fahrt nach Mandalay. Bei etwa einem Drittel der Strecke machen wir einen Halt in einem anonym bleibenden Dorf. Bei einer Familie schauen wir uns die Verarbeitung der Erdnüsse an. Die Nüsse werden mit der Schale in einer grossen Schale in Asche geröstet, anschliessend von Hand geschält und dann minutiös aussortiert. Die schlechteren Erdnüsse werden zu Öl verarbeitet, die besseren gehen in den Verkauf. Die Familie stellt auch ein Bier aus einem speziellen lokalen Mais her. Es ist allerdings noch etwas zu früh für ein Tasting. Bei Tee, Nüssli, Pflaumen und Sesamsamen gehen wir die Familiengeschichte der Besitzer durch und verabschieden uns dann wieder.

Der nächste Stop ist kurz vor der Stadt Sagaing bei der Kaunghmudaw-Pagode, die wir 2015 nur aus der Luft gesehen haben. Sie wurde Mitte des 17. Jahrhundert nach dem Vorbild eines Tempels in Sri Lanka gebaut. Die Pagode war immer weiss getüncht, bis das Militärregime einen goldenen Anstrich verordnet hatte (Noblesse oblige). Diese Farbe hat sie auch auf unseren letzten Bilder noch. Nach viel Kritik ist sie in der Zwischenzeit nun wieder weiss. Ein Mönch ist ausgesprochen begeistert von meiner Kamera und ist entsprechend erfreut, dass ich ihn damit ein paar Bilder schiessen lasse. Diese sind zwar etwas schief, aber gesegnete Fotos bekommt man auch nicht alle Tage.

In einem lokalen Coffee-Shop gibt es am frühen Nachmittag eine kleine Nudelsuppe und dann stechen wir auf kleinsten Nebenwegen etwa eine halbe Stunde Richtung Westen. Dort schauen wir uns die Produktion der beiden Papiersorten an, die es für die Herstellung des Blattgolds braucht. Einerseits ist es das Bambuspapier, das im Hämmerprozess zum Einsatz kommt. Der Bambus wird zusammen mit Kreide in grossen Töpfen während 3 Jahren gewässert, anschliessend in einem Mahlstein und danach im Mörser zu einer Pulpe verarbeitet. Darauf wird diese weiche Masse wieder in reinem Wasser aufgelöst, in einen Rahmen gegossen und während 30 Minuten sorgfältig getrocknet. Danach wird das gewonnene Rohpapier in etwa 10cm grosse quadratische Stücke geschnitten, die zuerst mit einem flachem, dann mit einem kantigen Bambus geklopft werden. Der Prozess für das zum Einpacken des Blattgolds benötigte Strohpapier ist grundsätzlich gleich. Allerdings dauert hier das Wässern nur 2 Wochen, dafür muss man zum Auswaschen der Kreide einen Ochsenkarren mieten und die Töpfe damit an den Fluss transportieren, wo die Masse mit dem Füssen im Wasser gestampft wird. Nach einem kleinen Gartenrundgang und einem Schwätzchen mit den Mönchen des kleinen Klosters fahren wir im Feierabendverkehr nach Mandalay.

Am nächsten Tag sehen wir dann noch die Fortsetzung: das Strohpapier wird von Hand mit Hilfe einer Schablone ganz exakt in verschieden grosse Quadrate geschnitten, worin das in verschiedenen Stufen zwischen dem Bambuspapier während etwa 6-7 Stunden flach geklopfte Gold (Schichtdicke 0.0001 und 0.0003 Millimeter) verpackt wird. Am Ende des ganzen Mühsals bleibt dem Familienunternehmen ca. 90 USD Reingewinn aus einem kleinen Goldbarren von 32g!Nach ein wenig Shopping (das Containerschiff ist schon gebucht) besuchen wir zum Abschluss des zweiten Tags noch den Mandalay Hill, aber vor lauter Touristen sieht man vom Tempel nicht viel. Auch die Sonne findet den Rummel eher mühsam und versteckt sich bereits vor dem eigentlichen Untergang hinter der Dunstschicht, sehr zum Ärger der handybewehrten Chinesen.

24.-27.1.2020: Ngapali Beach

Wir verlassen das in den letzten Jahren zu einer richtigen Grossstadt gewachsene Mandalay auf einer neuen Autobahn Richtung Südwesten zum Flughafen. Viel ist an diesem Freitag Morgen noch nicht los, auch nicht in der Check-In Halle. In einer kleineren Charme-Attacke überzeuge ich die Perle am Schalter, dass das Übergewicht unseres Gepäcks den Flieger sicher nicht zum Absturz bringe. Sie schliesst sich letztlich ebenso freundlich lächelnd dieser Haltung an. Mehr als eine Viertelstunde zu früh fliegen wir nach Heho ab, wo wir zuerst beim Immigration Officer wieder “einreisen”, dann nach einer einmaligen Umrundung des Gebäudes für den nächsten Flug einchecken und schliesslich beim nächsten Immigration Officer wieder “ausreisen”.

Nach einer weiteren Stunde Flug kommen wir nach Thandwe und werden dann (natürlich erst nach der Immigration) in einem stylischen alten Bus zu unserem Strandhotel gebracht. Eine super Beach-Villa in einer perfekten Gartenanlage, kilometerlanger Sandstrand und tolles Essen: mehr als Einatmen und Ausatmen wäre hier völlig übertrieben. Wir geniessen die Pause in unserem Reiseprogramm in vollen Zügen, bevor es dann am Dienstag Richtung Süden weitergeht.

28.1.2020: Ngapali - Mawlamyine

Das einzig anspruchsvolle am heutigen Morgen ist es, im Gewühl von Touristen den richtigen Flug nach Yangon zu nehmen. Alle 5-10’ gibt es ein neues Boarding durch die einzige Tür im Flugfeld von Thandwe, der Aufruf des Flugs erfolgt jeweils in astreinem Burmesisch. Irgendwie klappt das aber und nach einer knappen Flugstunde sind auch die Koffer am gleichen Ort wie wir. Nach den Provinzflugplätzchen von Heho und Thandwe wirkt Yangon International Airport tatsächlich etwas weltstädtisch.

Es geht gleich los, wir fahren zuerst Richtung Norden, wo unser Auto bei einem Nat-Schrein mit glücksbringenden Girlanden geschmückt wird. Dann geht es auf die ziemlich neue Autobahn, die Yangon mit Naypyidaw verbindet. Es braucht offensichtlich eine leistungsfähige Strasse in die 2007 in Betrieb genommene neue Hauptstadt von Myanmar. Nach der damals über Nacht erfolgten Ankündigung des Umzugs der Regierung war die Begeisterung bei Politikern und Beamten ausgesprochen bescheiden und bis heute pendeln diese wöchentlich in einer vierstündigen Fahrt von Yangon nach Naypyidaw und wieder zurück. Bei einer veritablen Raststätte in burmesischem Stil machen wir einen kurzen Biobreak, Hunger haben wir nach dem ausführlichen Frühstück keinen.

Unser Führer Myaw hat unser Programm so angepasst, dass wir heute den Besuch von Bago weglassen, sodass wir mit ein paar kurzen Fotostops auf der AH 1 mehr oder weniger direkt an unser Tagesziel durchfahren.

Nach fünfeinhalbstündiger Reise überqueren wir die grosse Brücke vor Mawlamyine und sind perfekt zum Sonnenuntergang am Flussufer. Dort werden die wie wild herumfliegenden Möven von den Einheimischen ausführlichst gefüttert und ein junges Liebespaar posiert für ein Selfie bei Sunset.

29.1.2020: Mawlamyine

Seit 2017 die neue Brücke eröffnet wurde, die mithilfe von japanischen Geldern gebaut wurde, findet der Fährverkehr für Personen nicht mehr statt. Unser Führer meint, es würden nur noch Güter per Schiff transportiert, ob das sinnvoll resp. plausibel ist, ist eine andere Frage. So sind wir per Auto ganz schnell auf der Bilu-Insel und fassen dort unsere Velos. Shimano war früher, heute steht man auf Shimeno. Das ist – weil chinesische Imitation – mal sicher billiger. Dafür funktionieren die Gangschaltungen eher nicht. Das Motto ist: du kannst jeden Gang einstellen, solange es der 5. ist. Das befreit uns mindestens von der intellektuellen Herausforderung, immer den richtigen Gang zu wählen. Beim Führer funktioniert die hintere Bremse nicht, bremsen ist aber sowieso nur für Weicheier. Und mein Sattel hält gar nicht, das gehört aber zum heutigen Fitnessprogramm.

Dergestalt bestens ausgerüstet geht es nun auf die Landstrasse zum ersten Dorf. Dort besuchen wir zwei Familien-Werkstätten, die Schiefertafeln herstellen. Diese werden bis zur 5. Klasse in der Schule immer noch gebraucht, sonst dienen sie zunehmend Dekorationszwecken. Beim nächsten Mechaniker versuchen wir, unsere Velos einigermassen instandstellen zu lassen, mindestens mein Sattel hält jetzt etwas besser. Immer geradeaus geht es zum nächsten Dorf. Dort besuchen wir die Herstellung von farbigen Gümmeli (resp. Gummibänder für die noblere Klientel). In einem aufwändigen Prozess wird der an den Gummibäumen gewonnene Kautschuk mittels einer leichten Säure vom Wasser getrennt und anschliessend eingefärbt. Dann werden runde Holzstäbe in die Masse getaucht, diese werden danach 5 Stunden an der Sonne getrocknet. Dieser Vorgang wird noch viermal wiederholt, zuletzt werden die nun entstandenen Gummischläuche vom Holzstab getrennt und in einer vorsintflutlichen Stanzmaschine zum Endprodukt geschnitten. Nochmals kochen (zum Trennen) und Trocknen, schon sind die Dinger fertig. 500 Kyats kostet ein ganzer Beutel, reich wird man also mit dieser Produktion kaum.

Nach dem Besuch einer Werkstätte für Pfeifen, Kugelschreiber, Schatullen und ähnlichem aus Holz entscheiden wir uns, die Stahlrösser zur Abholung zu deponieren und machen die weitere Erkundung der Insel mit dem Auto. Yvonne lässt sich bei der lokalen Coiffeuse noch die Frisur richten und danach besuchen wir die Produktion von Bambushüten. Da diese a) im Koffer etwas gefährdet wären und b) zuhause nicht unbedingt dem aktuellen Modetrend entsprechen, verzichten wir auf die sonst üblichen Kaufaktivitäten. Auf dem Rückweg besichtigen wir noch eine sehr spezielle silberne Pagoda und den Engros-Fischmarkt, wo das Meeresgetier gleich kistenweise verkauft wird.

Nach einer kleinen Siesta gehen wir am Nachmittag zunächst auf den Früchte- und Blumenmarkt. Für das Angebot an thailändischen Schuhen und Plastikkübeln können wir uns danach nicht so richtig erwärmen, weswegen wir nach ein paar Kurven durch die Strassen von Mawlamyine auf den Hügel zu einem Aussichtspunkt (selbstverständlich mit Buddha-Statue) fahren. Gegen Sonnenuntergang kommen wir dann per Schindler-Aufzug zur Kyeik Tha Lan Pagode, wo wir plötzlich nicht mehr die einzigen Touristen sind. Diese interessieren sich aber eigentlich nur für die Sonne, die sich eher unspektakulär kurz vor dem Untergang hinter dem Dunst versteckt. Die Pagode hat mit mehr als 50m Höhe die grösste Stupa in dieser Gegend. Da es jetzt etwas kühler wird, kommen immer mehr Einheimische zur Pagode und natürlich werden wir wieder um Erinnerungsfotos gebeten. Zuletzt geht es noch zur Mahamuni-Pagoda, einer schönen Replika des gleichnamigen Buddhas von Mandalay. Diese Kopie wurde nach der endgültigen Eroberung Myanmars durch die Engländer Ende des 19. Jahrhunderts gebaut, weil eine der nach Mawlamyine umplatzierten Ehefrauen des letzten Königs Heimweh nach ihrem Buddha von Mandalay hatte.

30.1.2020: Mawlamyine – Hpa-An

Eine kurze Autofahrt bringt uns am Nordufer der Stadt zum Boots-Jetty, wo unser Schiffsführer bereits wartet, sodass wir null-komma-sofort ablegen können.

Auf dem Thanlwin-Fluss kommen wir nach etwa Dreiviertelstunden am Rand einer grossen Insel zu einem 1000-Seelen Fischerdorf, in dem unser Captain wohnt. Er führt uns stolz herum und überall werden wir herzlich begrüsst. Alle Kinder werden aus den Häusern geholt, solche Fremdlinge sieht man hier schliesslich nicht alle Tage. Es scheint den Leuten gut zu gehen, die Häuser sind grosszügig gebaut, haben Treppenaufgänge mit gedrechselten Geländern und die meisten verfügen über eine Veranda. Jeden Abend von 18:00 bis 21:00 gibt es Strom für 10'000 Kyat pro Monat. Dieser wird vom einzigen Generatoren im Dorf produziert und kommt über wirr herumhängende Leitungen in die Häuser. In der Schule sind 7 Lehrerinnen am Werk, insgesamt unterrichten sie knapp 80 Schüler. Bei unserem Kurzbesuch bleiben nur die Jüngsten konzentriert an der Arbeit, für die Grösseren sind wir viel zu interessant. Nebenan dürfen wir ein Wohnhaus besuchen, das in der oberen Etage einen Wohn-/Essraum, zwei Schlafzimmer (eins für die Eltern und eins für die Tochter, die Knaben schlafen in der Stube), eine Dusche für die Frauen (die Männer haben sich draussen zu waschen) und eine offene Küche mit eigenem Balkon hat.

Nach diesem ausgiebigen Rundgang verabschieden wir uns wieder und tuckern weiter nach Norden. Der nächste Halt ist in Kor Nat, wo wir von einem Seitenwagen-Töfftaxi zu einem enorm schönen Kloster gefahren werden. Dieses wurde Ende des 19. Jahrhunderts von einem reichen Burmesen gestiftet, der sich im Teakholz-Geschäft ein goldenes Händchen verdient hat, nicht zuletzt wegen seiner “guten Beziehungen” zu den Engländern. Da sich unser Führer mittlerweile daran gewöhnt hat, dass unsere Mägen lokales Essen durchaus ertragen, gibt es auf der Weiterfahrt fried noodles, die unser Bootsführer in der Zwischenzeit irgendwo erstanden hat.

Wir bewegen uns mit etwa 10 km/h flussaufwärts, die Landschaft zieht ruhig an uns vorbei. Immer wieder passieren wir Schiffe, die Sand aus dem Flussboden baggern, offensichtlich für die Betonproduktion. In der Nähe unseres Etappenziels Hpa-An tauchen links und rechts schöne Karstberge auf, die bis zu 700m aus der Ebene herausragen. Bei unserer Ankunft werden wir bereits vom Fahrer erwartet, sodass es gleich weiter Richtung Südosten geht. Dort finden wir unseren Asian Highway Nr. 1 wieder, der hier in ausgesprochen gutem Zustand ist (finanziert wie noch so vieles durch die Japaner). Im Dorf Ein Du besichtigen wir kurz eine Weberei (ähnlich wie sonst, aber einfach mit den Kayin-Farben rot, blau und weiss). Ganz in der Nähe des Dorfs geht es dann in eine riesige Höhle hinein, in der der Legende nach Buddha in einem früheren Leben als weisser Elefant gelebt haben soll. Heute wohnen hier vorallem hunderttausende von Fledermäusen, die nun gegen Ende des Nachmittags langsam erwachen und einen Heidenlärm verursachen. Am anderen Ende der Höhle geht es entlang von Reisfeldern wieder zurück zu unserem Auto. Auf der Fahrt ins Hotel werden wir wie bereits auf dem Hinweg mehrere Male aufgehalten und müssen so genannte Strassengebühren bezahlen. Dies ist seit dem Waffenstillstand des burmesischen Staates und der etwa 5000 Mann umfassenden Kayin-Armee ein gängiges Modell, wie man sich hier finanziert. Irgenwie kommt einem das Spiel wie eine moderne Form der Wegelagerei vor.

31.1.2020: Rollercoaster zum Goldenen Felsen

Erste Station am Morgen ist der Markt von Hpa-An, wo es neben allem anderem insbesondere tonnenweise Blumenkohl zu kaufen gibt. Auch Rosenkohl gibt es grundsätzlich in Myanmar, dieser wird aber vorwiegend den Schweinen verfüttert, was der Schreibende grundsätzlich sehr vernünftig findet. Wir fahren dann nochmals eine halbe Stunde zurück Richtung Südosten an unserem Hotel vorbei zum Fuss des Bergs Zwe Ka Bin. Dort befindet sich im Lumbini-Garten eine einzigartige Ansammlung von rund 1000 sitzenden Buddhas. Für das Sponsoring eines solchen muss man etwa 300 USD aufwerfen, dafür werden Name und Adresse auf einer Tafel unter der Statue aufgeführt. Das andere Bemerkenswerte an diesem Ort ist die Tatsache, dass hier die zweite Kabinenbahn in Myanmar geplant ist. Das ist gut für Doppelmayer/Garaventa, ob dies auch für die spirituelle Ruhe auf dem heiligen Berg gilt, ist eine andere Frage. Die nahe gelegene Kyaut Ka Latt Pagode erinnert stark an die Phang Nga Insel aus dem James Bond Film: mitten in einem runden See thront sie hoch oben auf einem schmalen, steilen Felsen.

Dann machen wir uns auf die Socken Richtung Norden und kommen kurz nach 15 Uhr in Kinpun an, wo wir wie alle anderen Besuchern auf einen der bereitstehenden Trucks umsteigen. Auf sehr engem Raum werden 42 Leute in 7 Reihen hineingepfercht, da kommt man sich näher. Nach einer Gewichtskontrolle durch die Polizei geht es los auf die Achterbahn. Wenn wir nicht für einen Geldsammelstop oder für das Warten auf die bergabwärts fahrenden Lastwagen halten, geht es in einem halsbrecherischen Tempo ins Tal hinein, rauf und runter und um unzählige Kurven herum. Langsamer werden wir nur, wenn der Motor einfach nicht mehr hergibt. Letztlich kommen wir unbeschadet auf dem Berg oben an. Nur unsere burmesische Nachbarin hat sich das Mittagessen nochmals durch den Kopf gehen lassen, dank ihres Plastiksack ohne weitere Auswirkungen auf die übrigen Insassen.

Hier oben herrscht ein gewaltiger Rummel, gleichzeitig zeigen die meisten Besuchern aber auch eine grosse Ernsthaftigkeit, je näher sie zum Goldenen Felsen kommen. Atemberaubend steht er auf einem Felsvorsprung und es ist tatsächlich verblüffend, dass er sich seit Jahrhunderten in dieser Position hält. Das Licht der untergehenden Sonne taucht die ganze Szenerie in ein romantisches Licht. Viele der einheimischen Pilger werden die Nacht auf der Plattform in der Nähe des Goldenen Felsens auf gemieteten Matten und Decken verbringen, wir ziehen uns in unser warmes Hotel ganz in der Nähe oben auf dem Berg zurück.

1.-4.2.2020: Kyaikhto – Yangon – Bangkok

Der Sonnenaufgang holt uns aus den Federn und nach einem kurzen Frühstück sind wir bereit für die Rückreise. Wir pferchen uns wieder mit 40 Burmesen auf einen Lastwagen und donnern dann den Berg hinunter. Da es bergab geht, ist die Fahrt noch etwas sportlicher als am Vortag. Auch der Ablauf ist ähnlich wie gestern, nur die Spendensammelhalte sind kürzer, denn jetzt ist schon alles Geld ausgegeben. In Kinpun werden wir bereits von unserem Fahrer erwartet. Der erste Halt ist bei einem riesigen sitzenden Buddha ganz in der Nähe. Er wurde erst vor einem Jahr fertiggestellt, gesponsort von einem reichen Gummiproduzenten „mit guten Beziehungen zur Regierung“. Eine solche Gummibaum-Plantage besuchen wir etwas später auf der Weiterfahrt. Hier wird gerade der Rohkautschuks zu Matten verarbeitet. Die Gewinnung des Gummis findet in der Nacht statt, da tagsüber das Harz zu zähflüssig ist.

Dann sind wir schon bald in Bago, wo wir drei sehr unterschiedliche Tempel besichtigen. Der erste (Hinthagon Pagode) steht auf dem Hügel, auf dessen Spitze der Legende nach ein Gänsepärchen während einer massiven Überschwemmung gelandet ist. Deshalb ist diese Gans (Hamsa) auch das Wappentier des Mon-Staates. Die nahegelegene Shwe Maw Daw Pagode ist leider während 2 Tagen geschlossen, weil ein Armee-VIP hier zu beten gedenkt. Offensichtlich hat er eine ausführlichere Liste von Taten, über die er mit Buddha sprechen will. So fahren wir ein paar Minuten weiter zu einer kleineren Pagode, bei der eine riesige Tigerpython verehrt wird. Sie ist wohl etwa 5 Meter lang, dass sie aber – wie behauptet wird – 135 Jahre alt ist, ist eher unwahrscheinlich. Unter günstigsten Bedingungen wird diese Schlangenart nämlich nur etwa 25 – 30 Jahre alt. Aber vielleicht hat es die Schlange hier einfach besser als alle anderen, jedenfalls bekommt sie alle 2 Monate 10kg Hühner. En Guete!

Besonders eindrücklich ist der liegende Shwethalyaung-Buddha. Er lächelt freundlich und entspannt in einer riesigen Halle und lässt sich von den Hunderten von Pilgern nicht aus der Ruhe bringen. Als letztes schauen wir uns noch 4 sich den Rücken zuwendende Buddha-Statuen an: schön, aber nicht unbedingt eine weite Reise wert. Nun geht es weiter Richtung Westen, wo wir kurze Zeit später an einem Hochzeitsfest vorbeifahren. Wenn wir es nicht sehen würden, könnten wir es unmöglich überhören: aus riesigen Boxen produziert ein DJ einen ohrenbetäubenden Krach. Klar wollen wir kurz reinschauen, aber so schnell lässt man uns dann nicht mehr gehen. Superherzlich werden wir empfangen und alle – insbesondere auch das Brautpaar – freuen sich riesig über den fremdländischen Besuch. Wir werden förmlich zum Essen genötigt, diese Einladung wollen wir natürlich auf keinen Fall ausschlagen. Es gibt Reis mit Fischsauce und Hühnercurry und schmeckt ausgezeichnet, besser als in manch teurem Restaurant. Das Ganze wird weiterhin begleitet durch die ultralaute Musik, es hilft nur unwesentlich, dass der Lärmpegel hinter den Boxen etwas abgeschwächt ist. Zum Abschluss gibt es noch Tee im oberen Stock mit Fototermin. Wir übergeben dem Brautpaar ein kleines Geschenk und wünschen viel Glück. Für uns geht es dann weiter, für die Festgemeinde (sprich das ganze Dorf von bis zu 1000 Leuten) dauert das Fest noch weitere 3 Tage. Eingeladen ist jeder, der den Sound hört und das müsste bis in die Aussenquartiere des 2 Stunden entfernten Yangon der Fall sein!

Bei unserer Ankunft in Yangon fahren wir gleich zum Bogyoke-Markt, wo wir noch zu unserem Hofoptiker müssen. Lieferung in gut 12 Stunden, wenn es sein muss auch in 2-3 und sollte auch das nicht reichen, schickt er die Dinger halt in die Schweiz. Und das alles für einen winzigen Bruchteil der Preise zuhause. Bei 2-3 Brillen lohnt sich der Flug nach Yangon! Den Abend geniessen wir danach in unserem wunderschönen Hotel im Diplomatenquartier.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Ausschlafen, Flug nach Bangkok, nochmals geniessen und faulenzen und dann geht es dann am Dienstag wieder zurück in die Schweiz, wo wir uns wohl wieder einmal dem Ernst der Lebens widmen müssen.