Bei der Einfahrt in einen kleinen Wasserarm am Rand unserer Lagune wird uns einmal mehr klar, dass der Mensch nicht immer der Chef auf dieser Welt ist. Ein grosser Kaiman liegt quer zu unserer geplanten Richtung faul im Wasser und macht keinerlei Anstalten, sich zu bewegen. Unser Bootsführer schlägt zuerst mit seinem Paddel aus das Wasser und wirft anschliessend ein paar Holzstücke in Richtun des Riesentiers. Dies hilft überhaupt nichts, der Kaiman macht keinen Wank. Schliesslich wird per Funk ein weiterer Angestellter der Lodge zur Unterstützung hinzu gerufen. Dieser muss mit einem weiteren Holzstück mehr oder weniger einen Volltreffer landen, bis sich die Echse gemütlich umdreht und später untertaucht. Niemand ist wirklich sicher, wie weit weg der Kaiman abgetaucht ist und so paddeln wir sehr zügig an der Stelle vorbei. Auf dem engen Wasserlauf kommen wir jetzt immer weiter in den Urwald hinein, bis mit dem Kanu nichts mehr geht. Wir marschieren nun auf einem rutschigen, matschigen Pfad weiter ins Dickicht hinein und kommen dann nach etwa 20 Minuten zu einem ca. 40m hohen Turm. Wir steigen bis in die Baumkrone hinauf, wo uns eine Plattform mit einer atemberaubenden Aussicht über die Baumkronen des Urwalds erwartet.
Von hier aus sehen wir mit Hilfe eine starken Fernrohrs diverse Vögel, vor allem eine Vielzahl von Tukanen und Papageien in allen Farben. Langsam setzt der Regen ein und längst rauscht es rund um uns beachtlich. Es dauert aber noch eine ganze Weile, bis die Tropfen durch das Blätterdach über uns durchdringen und wir unsere Regenponchos anziehen müssen. Auch die Vögel rundum ziehen sich mindestens ein Stockwerk tiefer zurück und die beiden Brüllaffen in der Ferne ducken sich zu kleinen Kugeln zusammen, um nicht allzu nass zu werden. Die Stimmung ist traumhaft, mit den durchziehenden Nebelschwaden fast schon mystisch. Die vielen verschiedenen Grüntöne werden durch den Regen noch differenzierter und kräftiger.
Bevor wir ganz durchtränkt sind, verlassen wir den Canopy-Aussichtsturm wieder und kraxeln die vielen Stufen nach unten. Auf dem Rückweg zum Boot fasziniert die Dschungellandschaft durch die kräftigen, glänzenden Farben nochmals ganz anders. Ein enormer Tausendfüssler hat sich durch die Nässe aufscheuchen lassen und kreuzt unseren Weg. Ein grosser, glänzend blauer Schmetterling trotzt der Witterung und vollführt einen eleganten Tanz rund um uns. Eigentlich wollten wir aufgrund des sintflutartigen Regens zurück zur Lodge, in der Zwischenzeit hat der Regen allerdings soweit aufgehört, dass wir doch noch in einen anderen Seitenarm hineinstechen. Wir fahren in Richtung des ohrenbetäubenden Lärms, den eine Gruppe Brüllaffen veranstaltet, aber als wir einigermassen in der Nähe der vermuteten Stelle kommen, ziehen es die Affen vor, den Sound einzustellen. So geniessen wir ganz einfach das dichte, grüne Paradies und erspähen zwischendurch einen Vogel, der sich unter dem Blätterdach duckt.
Aufgrund des erneut einsetzenden Regens drehen wir nun definitiv um und mit erhöhter Schlagzahl geht es zurück zur Lodge. Trotz Regenponchos sind wir zwischenzeitlich fast durch und durch nass, was bei den herrschenden Temperaturen aber weiter kein Problem ist. Trotzdem sind wir natürlich dankbar für die Tasse heisse Schokolade, die uns ein Boy in unsere Hütte bringt.
Nach dem Mittagessen und einer kleinen Pause entscheiden wir uns trotz anhaltendem Regen, nicht auf die Nachmittagstour zu verzichten. Auf der gegenüberliegenden Seite der Lagune stechen wir noch ein paar hundert Meter mit dem Kanu ins Dickicht hinein, dann geht es zu Fuss weiter. Affen und Vögel haben sich angesichts des Wetters längst verzogen, dafür erfahren wir viel Interessantes über die Pflanzen und deren Nutzen für die einheimische Bevölkerung. Unter anderem wüssten wir jetzt, wie Pfeilgift hergestellt wird. Wir sind erneut verblüfft, wie unser lokaler Führer Lebewesen entdeckt, an denen wir achtlos vorbei gegangen wären. So sehen wir zum Abschluss des Tages mehrere kleine Echsen, einen Hundertfüssler und ein paar winzige Frösche in allerlei Farben.