Freitag, 28.10.2022: Über den Dochu La

Kaum eine Stunde nach der Abfahrt in Punakha stecken wir in einem veritablen Stau. Ein enorm wichtig dreinschauender Polizist (er hat ein Trillerpfeife, was ihn als bedeutend klassifiziert) weist uns an, am linken Strassenrand anzuhalten. Der Grund ist ein Autokorso, angeführt von einem farbig geschmückten Lastwagen, in dem eine Statue des blaubärtigen Zhabdrung Ngawang Namgyal (“the man who unified our country”) von Thimphu nach Punakha transportiert wird. Jeden Spätherbst zieht die oberste Geistlichkeit des Lands ins wärmere Punakha um und definiert mit dem Umzugstermin den offiziellen Beginn des bhutanesischen Winters. Der heutige Transport ist eine Vorbereitung dazu. Die Autokolonne macht gerade eine Pause, ein Restaurantbesitzer hat die Mönche zu einem Imbiss eingeladen. Und das kann man natürlich nicht auslassen, Mönche essen bekanntlich viel (siehe Vortag). Begleitet wird der Statuen-Transport von einem endlosen Konvoi von Autos. Mehr oder weniger alle Parlamentsabgeordnete müssen dabei sein, natürlich jeder in seinem eigenen Auto.

Auf der Passhöhe des Dochu La auf ca. 3’100m gibt es einen weiteren Stau, nämlich einen Wolkenstau. Dieser bewirkt, dass wir die berühmte Aussicht auf die Bergkette des Himalayas nur vor unserem geistigen Auge sehen. Ein kleiner Tee tröstet uns, dann geht es den Berg hinunter nach Thimphu, der einzigen Ansiedlung in Bhutan, die den Namen Stadt einigermassen verdient. Sie rühmt sich, die einzige Hauptstadt der Welt zu sein, die ohne Lichtsignale auskommt. Ein solches gab es mal, es wurde aber nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung wieder abgeräumt.

Nach dem Mittagessen in unserer Lodge erkunden wir noch ein wenig die Ortschaft. Wir besuchen das Institut für die Lehre der traditionellen buthanesischen Handwerkskunst, wo junge Leute in einer meist vier Jahre dauernden Lehre minutiös in eine der traditionellen Künste eingeweiht werden. Diese folgen meist sehr strengen Regeln, für die Fantasie der Künstler bleibt wenig Spielraum. Ein Bummel entlang von Dutzenden kleinen Verkaufsläden für Handwerkskunst bringt uns zum Wochenendmarkt, wo Früchte und Gemüse verkauft werden. Sogar hier müssen wir unser Visum zeigen, unser Besuch wird inklusive Passnummer säuberlich in das grosse Besucherregister eingetragen. Ob das das Bruttonationalglück (das hier anstelle des Bruttosozialprodukts gemessen wird) erhöht? Uns jedenfalls gefällts, unser Besuch in Bhutan ist den Behörden offensichtlich nicht egal.

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