Dienstag, 4.10. – Donnerstag, 6.10.2022: In den Mangroven der Sundarbans

Nach erstaunlich erholsamem Schlaf kommen wir in den ersten Morgenstunden des Dienstags in Barisal an. Bis vor kurzem wurden auf dieser Strecke die legendären Raddampfer aus der Zeit der East India Company eingesetzt, die sogenannten Rockets. Sie erhielten ihren Namen deshalb, weil sie damals die schnellsten Binnenschiffe waren. Die Boote kamen aber definitiv ins Alter und mussten ausgemustert werden, 200 Einsatzjahre sind allerdings ein stattliche Leistung. Unser Bus wartet bereits auf uns und bringt uns nach einem Frühstückshalt in das rund 120km entfernte Monglar. Beim Massala Chai-Stop irgendwo in einem kleinen Dorf werden wir von einer ganzen Gruppe einheimischer Männer umringt, die offensichtlich seit Menschengedenken keine weissen Fremden mehr gesehen haben. Die Rikschas in dieser Gegend haben alle einen kleinen Elektromotor. Entsprechend relaxed sitzen die Fahrer auf ihren Sätteln, einen Fuss locker auf dem Rahmen oder auf der Lenkstange.

Nach knapp 3 Stunden kommen wir in Mongla an, dem zweitgrössten Hafen von Bangladesh. Besonders malerisch ist die Umgebung nicht, das Landschaftsbild ist dominiert von Öl- und Gasfirmen und unzähligen Hafenkränen. Mit einem kleinen Knatterboot setzen wir über den Fluss, wo unser Privatboot auf uns wartet. Danach legen wir ab nach Süden und machen nach einer Stunde auf dem Poshur River einen kurzen Halt, um einen Ranger an Bord zu nehmen. Er soll uns im Verlauf des Trips vor hungrigen Tigern und anderem Getier schützen. Gemütlich fahren wir den ganzen Nachmittag auf dem Selagang-Fluss Richtung Sundarbans, dem grössten Mangrovenwald der Welt. Dort treffen wir erst nach Einbrechen der Dunkelheit ein. Es ist heiss und feucht, sodass das Einschlafen ein kleinere Herausforderung darstellt.

Insgesamt ist dieses Unesco-Weltnaturerbe rund 10’000 km2 gross, etwa 60% davon gehören zu Bangladesh, der kleinere Teil zu Indien. Das Gebiet ist ein einziges Wirrwarr von Wäldern und Wasser, vom grossen Fluss bis zum kleinen Wasserlauf. Permanente Siedlungen sind innerhalb des Nationalparks keine erlaubt, lediglich ganz im Süden leben einige Fischer in halb stationären Behausungen. Neben dem Fischfang leben sie auch vom Sammeln des begehrten Honigs der wilden Bienen. Die Angst vor Tigerattacken ist allgegenwärtig, vor allem bei den Leute, die sich im Innern der Wälder bewegen. In den Sundarbans lebt die weltweit grösste Population von Bengalischen Tigern, die sich hauptsächlich von Chital-Hirschen und Wildschweinen ernähren. Je nach Jahreszeit gibt es eine stattliche Anzahl Krokodile, ausserdem Warane und eine Vielzahl von Schlangen, insbesondere die hochgiftige Königskobra.

Wir verbringen insgesamt 3 Tage in dieser tropisch-grünen Welt, fernab von jeglicher Zivilisation. Der einzige Kompromiss ist unser Boot, das zwar keinen Luxus bietet, aber alle notwendigen Annehmlichkeiten, auf die wir verwöhnten Touristen halt doch ungern verzichten. Wir kurven mit dem kleineren Beiboot entlang der kleinen Flüsse durch den Mangrovendschungel, machen einen schweisstreibenden Abstecher zum Strand an der Bucht von Bengalen und unternehmen auch mal einen kleinen Spaziergang rund um eine ziemlich marode Rangerstation. An Tieren sehen wir vorallem diverse Hirsche, aber auch einige Affen, Wildschweine und diverse Vögel. Ein stattlicher Waran bietet eine spektakuläre Show: zunächst hängt er faul auf einem Ast, findet dann aber doch, dass wir etwas gar nahe gekommen sind. Kurzerhand springt er rund 3m hinunter ins Wasser, taucht mit grossem Gespritze in den Fluss ein und schwimmt danach gemütlich ans andere Ufer.

Auf der Rückfahrt werden wir von Flussdelfinen begleitet, die derart unorganisiert mal hier und mal da auftauchen, dass an ein Bild schon gar nicht zu denken ist. Unterwegs besuchen wir zum Gaudi der Einwohner noch ein Fischerdorf, wo uns auf dem Rundgang Heerscharen von Kindern begleiten, die alle einen Sugus (und noch einen und noch einen …) ergattern wollen. Im Laufe des Abends sind wir dann wieder zurück in der Nähe von Mongla, wo wir unsere letzte Nacht an Bord verbringen.

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