10.1.2020: Gemütlich Richtung Osten

Der Brahmaputra (Sohn des Gottes Brahma) ist mit mehr als 3000km Länge einer der grössten Flüsse der Welt. Er entspringt im Tibet in der Nähe des Gang Rinpoche (Kailash), wo er den Namen Yarlung Tsangpo trägt. Dort ist er – auf etwa 3600 müM. – der weltweit höchst gelegene Schiffahrtsweg. Er fliesst dann auf ca. 1700km ostwärts entlang dem Nordrand des Himalaya, bevor er in die Tsangpo-Schlucht fliesst, eine der tiefsten Schluchten der Welt. Hier schneidet er sich durch den Ost-Tibet, verliert dabei rund 2900 Höhenmeter und macht eine 180°-Wende. Er fliesst weiter durch Arunachal Pradesh in die Assam-Ebene, wo er bis zu 15km breit wird. Er ist hier Segen und Fluch zugleich. Er bringt Wasser und Nährstoffe für die Felder, Rohstoffe für viele Handwerksarbeiten, aber auch Überflutung und Zerstörung in der Monsunzeit. Im Westen der bengalischen Tiefebene heisst der Fluss nun zunächst Jamuna, bevor er sich mit dem Ganges vereint und unter diesem Namen Richtung Süden im 200km breiten, grösstflächigen Delta der Erde in den Golf von Bengalen fliesst.

Die völlige Ruhe der Nacht wird nur sporadisch vom Platschen abbrechender Sandbrocken ins Flusswasser gestört. Bei Tagesanbruch startet der Kapitän den Schiffsdiesel und wir tuckern weiter mit konstant 7-8km/h flussaufwärts. Auf den Sandbänken sind vielerorts grössere Felder angelegt, zwischendurch sieht man auch ein paar Hütten von Bauern, die diese Felder bewirtschaften. Es sind vorwiegend Immigranten aus Bangladesh, die sich hier während der Trockenzeit niedergelassen haben. Sie und auch die Bewohner der grösseren Dörfer müssen vor der Monsunzeit das Gebiet verlassen, um sich weiter weg vom Fluss niederzulassen. Bis zu 2-3m steigt der Wasserpegel an und überflutet Felder und Behausungen.

Wir machen einen Halt beim Dorf Tulshibori, wo uns Heerscharen von Kindern und Frauen erwarten. Wir spazieren durch das weitläufige Dorf, wo bei jeder Strohhütte schöne Gemüsegärten angelegt sind. Bäume mit Mangos, Zitronen und vielen anderen Früchten stehen dazwischen und etwas ausserhalb sind grosse Felder mit Mais, Senf, Kohl und anderem Gemüse angelegt. Die Bewohner des Ortes sind mehrheitlich Muslim, weshalb Alkohol hier offiziell kein Thema ist. Mit Marihuana scheint man jedoch kein Problem zu haben, das Kraut wächst munter an allen Ecken und Enden. Und gemäss unserem Guide wird es auch ausgiebig geraucht. Die Schule des Dorfes bestand einmal aus zwei Gebäuden, seit aber nicht mehr genügend Lehrer hier sind, wurde der eine Teil in einen Kuhstall umgewandelt. Wir verteilen unsere Sugus an die uns immer noch begleitenden Kinder. Entlang des Flusses spazieren wir noch ein Stück und werden von unserem Boot beim „Hafen“ des Dorfs wieder abgeholt. Bis dorthin führt von der weit entfernten Hauptstrasse her auch ein kleiner Weg, auf dem Tuk Tuk’s und Motorfahrräder verkehren. Innerhalb des Orts gibt es mehr oder weniger nur schmale Trampelpfade zwischen den Feldern, die Fortbewegung erfolgt fast ausnahmslos zu Fuss.

Für den Rest des Nachmittags lassen wir den ruhigen Film der Flusslandschaft an uns vorbeiziehen und geniessen das süsse Nichtstun. Glutrot geht gegen 17:00 die Sonne im Westen unter und fast synchron steigt im Osten der Vollmond auf. 

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