Tibet 2018

Am Sonntag 13. Mai sind wir zu unserer China-/Tibet-Tour gestartet. Wir beginnen diese in Beijing, fahren dann über Xi'an und Lanzhou nach Xining, von wo es per Zug nach Lhasa weitergeht. Nach mehreren Tagen in der tibetanischen Hauptstadt fahren wir dann nach Westen an die nepalesische Grenze und beenden unseren Trip mit 2 Tagen in Kathmandu.

14.5.18: Schweisstropfen auf der Grossen Mauer

 

Früh (um 05:15!) landen wir in Beijing und quälen uns dann durch die endlose Schlange an der Immigration. Das Gepäck finden wir schnell, unseren Guide gar nicht. Er hat verschlafen und so wälzen wir uns mit einem Taxi durch den Morgenverkehr in die Innenstadt. Der Smog ist ziemlich ausgeprägt, sodass man von der an sich scheinenden Sonne nicht wirklich etwas sieht. Nach 3.5 Stunden sind wir dann endlich im Hotel, wo wir unseren bestens ausgeschlafenen, aber etwas verlegenen Guide antreffen. Er entschuldigt sich tausend Mal, zwischendurch nehmen wir eine kurze Dusche und ein kleines Frühstück. Dann brechen wir auf zur Besteigung des rund 150km im Nordosten gelegenen Abschnitts der großen Mauer bei Jhinjaling.

Der Anstieg zum ersten Wachturm verläuft zwar im Schatten, bei mehr als 30° feuchter Hitze ist aber bereits das eine Herausforderung. Toll ist, dass wir praktisch gar keine Touristen antreffen. Vom “Fünf-Fenster-Turm” aus kraxeln wir auf der Mauer runter und rauf über Stufen mit unterschiedlichsten Höhen (allerdings nie der SUVA-Empfehlung entsprechend), bis unsere geplagten Knie und Hüften ächzen. Auch derart weit ausserhalb von Beijing ist die Sicht durch Feuchtigkeit und Luftverschmutzung noch immer eingeschränkt. Trotzdem ist der Eindruck dieses Bauwerks gigantisch und es grenzt an ein Wunder, dass die damaligen Baumeister es geschafft haben, mit den verfügbaren bescheidenen Mitteln eine Grenzbefestigung von insgesamt mehr als 20'000km mitten in Hügeln und Bergen zu erstellen (Wikipedia zur Chinesischen Mauer). Nach rund 2.5 Stunden wagen wir den Abstieg und kommen zu einem kurz vor dem Bauabschluss stehenden riesigen Besucherzentrum. Wir sind froh, dass wir noch vor den hier zukünftig erwarteten Touristenmassen gekommen sind.

Im Swiss Bordmagazin haben wir auf dem Flug einen Tip zur Besichtigung von Gubei gesehen. Wir motivieren unseren Herrn Sun, auf dem Heimweg noch einen Abstecher dahin zu machen. Nach ein paar Anläufen schaffen wir es, stellen jedoch fest, dass der Eindruck zwar malerisch ist, der ganze Dorfkomplex aber eine auf alt getrimmte neue Überbauung ist.

Am späten Nachmittag kommen wir wieder nach Beijing, wo wir noch den olympischen Park besuchen. Insbesondere das “Vogelnest” (das Leichtathletikstadion) ist eine Augenweide. Nur schade, dass es seit der Olympiade vor 10 Jahren kaum mehr für Sportanlässe verwendet wurde.

15.5.18: Kaiserpaläste im Menschenmeer

Nach einem gemütlichen Frühstück fahren wir mit Bus und U-Bahn zum Tiananmen-Platz. Wir werden fast erschlagen von den Menschenmassen, die sich hier schon relativ früh am Morgen befinden. In einer kilometerlangen Schlange bewegen sie sich zum Eingang des Mao-Mausoleums, um für ein paar Sekunden einen Blick auf den einbalsamierten Körper des einstigen grossen Vorsitzenden zu erhaschen. Wir kämpfen uns durch eine Reihe von Sicherheitskontrollen zum Kaiserpalast, wo es gefühlte hunderttausend Touristen – v.a. chinesische – hat. Wir streifen durch die riesige Anlage, die während Jahrhunderten den Kaisern im Winter als Wohn- und Arbeitsquartier gedient hat. Ein super-eindrücklicher Palastkomplex, der perfekt unterhalten ist und der immer wieder neue Perspektiven bietet. Drachen, Löwen und anderes Getier aus Stein und Bronze bewachen die kaiserlichen Räume an jeder Ecke. Trotz allem Prunk war das Leben der Kaiser vermutlich nicht nur lustig. Durchschnittlich wurden sie nur 30 Jahre alt. Ob das damit zusammenhängt, dass sie neben der Kaiserin und 2 Nebenfrauen noch bis zu 72 Konkubinen hatten, bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Im Norden des Palastes besteigen wir den höchsten Punk im Jingshan-Park. Vom dortigen Pavillon aus hat man einen herrlichen Blick von oben auf die verbotene Stadt, allerdings ist die Weitsicht durch den Smog auch heute massiv eingeschränkt.

Per Taxi fahren wir dann nach Norden zum Sommerpalast, den die Kaiser jeweils während der heissen Zeit bewohnten. Hier ist es deutlich ruhiger als im Stadtzentrum. Das Grün der Bäume und die Frische des Wassers sind ausgesprochen angenehm bei der herrschenden schwülen Hitze. Der kaiserliche Wasserkanal verbindet den riesigen künstlichen See mit der verbotenen Stadt im Zentrum. Auf dem Areal stehen Dutzende von Pavillons und Palastgebäuden, ausschließlich dem Kaiser und seiner engsten Entourage vorbehalten waren. Am besten gefällt uns das Quartier der Kaiserin, die die Gemächer rund um einen idyllischen Teich bewohnte.

Langsam sind die Beine wieder etwas müde und so schnappen wir uns einen Sightseeing-Bus, der uns zurück in die Innenstadt bringen soll. Das wird allerdings zu einer ziemlichen Geduldsprobe, denn der Verkehr ist nach 16:00 bestialisch und so wären wir zeitweise zu Fuss wesentlich schneller unterwegs. Letztlich brauchen wir mehr als 2 Stunden für die knapp 20km bis zum Hotel.

16.5.18: Mit Highspeed von Beijing nach Xi’an

Ganz nahe südlich des Tiananmen-Platzes, d.h. eine halbe Stunde Autofahrt entfernt, liegt der 270ha grosse Park mit dem Himmelstempel, dem Wahrzeichen von Beijing. Beim Eingang sieht man noch nicht viel von der Tempelanlage. Hier pflegen die Leute allerlei Freizeitaktivitäten. An den Gymnastikeinrichtungen stählen Junge und solche, die es noch gerne wären, ihre teilweise nur spärlich vorhandenen Muskeln. Daneben wird mit Inbrunst unter Anleitung eines Vortänzers getanzt. Federball wird mit Schlägern oder Füssen gespielt und im Schatten der uralten Zedern macht eine Frauengruppe Pause, die kurz zuvor noch beherzt ihre Gesänge zum Besten gegeben hat. Am Rande der langen Wandelhalle wird eifrig mit Karten gespielt, aus den ernsten Mienen zu schliessen geht es um anständige Geldbeträge.

Der runde Tempel hat drei Dächer und steht auf einem dreistufigen Sockel. Er ist vollständig aus Holz und ohne Nägel gebaut. Blau dominiert, es ist die Farbe des Himmels. Wir besichtigen neben dem Haupttempel auch noch diverse weitere Gebäude, die im Wesentlichen alle auf einer Nord-Süd-Achse angeordnet sind. Am Ende des Rundgangs stossen wir in einem Seitenbereich auf einen Kontakt-Markt, auf dem Eltern ihre Söhne und Töchter anpreisen. Deren Steckbrief steht auf einem Zettel, hauptsächlich geht es um Alter, Grösse, Wohnung, manchmal Gewicht und oft um das Gehalt. Danach folgt die Beschreibung der Vorstellungen, welche Eigenschaften der zukünftige Partner haben soll. Interessierte Vermittler können dann ein unverbindliches Gespräch beginnen, worauf bei gegenseitigem Interesse ein Treffen der (meist) jungen Leute organisiert wird. Eine komplizierte Welt!

Am frühen Nachmittag fahren wir zum Westbahnhof, der wie alles in China riesig ist. Nach einer Passkontrolle folgt eine Gepäckkontrolle, danach eine Sicherheitskontrolle und zuletzt wird noch zwei weitere Male das Billett kontrolliert. Schliesslich sitzen wir im komfortablen Zug, der uns mit Geschwindigkeiten meist um 300km/h in südwestlicher Richtung nach Xi’an bringt.

Unterwegs kommen wir an endlosen Reisfeldern vorbei, gefolgt von grossen und grössten Baustellen. Zwischendurch stoppt der Zug in diversen „Kleinstädten“ mit Einwohnerzahlen ab ca. 1.5 Mio. Die Sicht bleibt auch ausserhalb von Beijing schlecht, die hohe Luftfeuchtigkeit führt auch ohne Smog zu einer milchigen Atmosphäre, erst gegen Abend sehen wir kurz die Sonne als fahle Scheibe am Himmel.

17.5.18: Die Krieger von Xi’an

 

Wir beginnen unser Tagesprogramm mit der fast 1400 Jahre alten grossen Wildganspagode. Warum sie so heisst, ist uns noch nicht ganz klar, aber das spielt auch eine eher untergeordnete Rolle. Wie immer bei chinesischen Pagoden besteht sie aus einer ungeraden Anzahl Stufen, hier sind es 7. Zwar sind nur etwa 10% der Chinesen überhaupt religiös, hier treffen wir aber ganz viele buddhistische Gläubige an, die vor dem Hauptaltar ihre Räucherstäbchen anzünden und ihre Gebete sprechen. Drinnen findet eine grosse Zeremonie der Mönche statt, die mit ihrem stundenlangen Singsang eine mystische Atmosphäre ins Areal zaubern. Die Pagode selber kann man nicht von innen besichtigen, es wäre zu eng für die vielen Besucher. Der Turm steht ungefähr einen Meter schief, weshalb man begonnen hat, diesen vorsichtig wieder in die andere Richtung zu drücken. 1 Millimeter pro Jahr wird er bewegt, sodass er dann gerade steht, wenn wir in 1000 Jahren wieder kommen. Merke: Chinesen denken strategisch.

Nach einem kleinen Abstecher in eine grosse Jadeausstellung (Geld gespart, nix gekauft!) ist unsere nächste Station die rund eine Autostunde ausserhalb des Zentrums gelegene Ausgrabungsstätte der berühmten Terrakotta-Armee. Auf dem Weg dahin kommen wir wieder an riesigen Wohnblöcken und Baustellen für solche vorbei. Bei den 3 oder 4 Universitäten, die wir ebenfalls passieren, sind die Studenten gerade unterwegs zum Mittagsessen, eine wahre Flut von jungen Leute ergiesst sich über die Strassen. In der grössten der Ausgrabungshallen hat es ca. 6000 Kriegerfiguren, von denen rund 2000 säuberlich restauriert sind. Die Tonfiguren, die ursprünglich einmal farbig bemalt waren, sind mit 1.65 bis 1.90m lebensgross, bei deren Erschaffung vor mehr als 2000 Jahren vermutlich sogar grösser als die damals lebenden Menschen. Jeder einzelne von ihnen hat seine individuellen Gesichtszüge und auch die Bekleidung und die Körperhaltung sind faszinierend detailliert. Die Figuren lassen sich aufgrund ihres Kopfschmuckes und der Panzerung klar in Soldaten und Offiziere von unterschiedlichem Rang einordnen. Auch wenn 6000 Krieger noch keine Armee ergeben, so ist die Schar der nach Osten (Hauptfeindrichtung) ausgerichteten Kämpfer echt beeindruckend.

Im Restaurant von Mr. Yang, einem der 4 damaligen Bauern, die Anfang der 70er Jahre die Figuren entdeckten, essen wir zu Mittag und testen anschliessend verschiedene Teesorten. Auf dem Rückweg ins Hotel machen wir noch einen kurzen Abstecher zu einem erstaunlich einsamen Tao-Kloster, wo gerade eine kleine Prozession stattfindet. Wir sind heute also richtige Glückspilze in Sachen religiöser Show-Time. Im stockenden Verkehr zurück zeigt uns unsere Führerin Nina stolz eine App (chinesisches Pendant zu Google Maps) auf ihrem Handy, auf der sie genau sieht, dass wir tatsächlich in einem Stau stehen. Helfen tut es wie bei uns zuhause auch nicht viel: wenn es staut, dann staut es.

Das Abendessen besteht aus einer Kurpackung chinesischer Ravioli in rund einem Dutzend verschiedener Varianten, danach geniessen wir eine etwas touristische, aber trotzdem interessante Musik- und Tanzveranstaltung. Auf dem Heimweg macht der Fahrer noch eine Spezialschlaufe, um uns stolz ein besonders bunt beleuchtetes Quartier zu zeigen. Was uns bei Tag und Nacht auffällt, sind die permanent grossen Anstrengungen, den öffentlichen Raum sauber zu halten. Das Resultat lässt sich wirklich sehen.

18.5.18: Xi‘an - Lanzhou

 

Nach zwei angenehmen Tagen im hervorragenden Hotel in Xi’an packen wir unsere Siebensachen wieder und reisen weiter Richtung Nordwesten Wir stechen mitten im Trubel des Morgenverkehrs in die Innenstadt hinein und besuchen den Stelenwald, ein Museum mit alten Grabsteinen. Aus verschiedensten geschichtlichen Epochen befinden sich hier alte Inschriften, die über den jeweiligen Verstorbenen nur das Allerbeste berichten. Viele der Texte sind so alt, dass die Schriftzeichen völlig anders aussehen als die heute verwendeten. Ganze Schulklassen von Kalligrafie-Studenten tummeln sich hier.

Die alte Stadtmauer liegt gleich nebenan und so erklimmen wir die breite Zinne, um die Welt von oben anzuschauen. Die breite Mauer umschliesst die gesamte Altstadt auf einer Länge von mehr als 13km. Sie ist meist noch im gut erhaltenen Originalzustand, an einigen Orten sehr schön restauriert. Hier oben könnte man auch die ganze Altstadt mit einem Mietfahrrad umrunden, soviel Zeit haben wir allerdings nicht. Für Hochzeitspaare scheint es der Fotospot schlechthin zu sein, wir sehen sicher 10 Paare, die sich hier oben mehr oder weniger professionell ablichten lassen. Alle Bräute sind in rot gekleidet: rot bringt Glück.

Die Fahrt zum Bahnhof im Norden dauert ca. 1 Stunde. Da uns unsere Führerin wie alle Führer auf der Welt viel zu früh abliefert, gedulden wir uns noch ein wenig bis zur Zugsabfahrt. Das Getümmel ist hier wesentlich überschaubarer als in Beijing. Die etwas mehr als dreistündige Fahrt nach Lanzhou ist deutlich abwechslungsreicher als diejenige zwischen Beijing und Xi’an. Neben Reisfeldern sehen wir auch Obstbäume und Gemüsefelder. Und natürlich auch hier: überall Baustellen. Wohnhäuser werden direkt neben den Fabriken oder den Feldern erstellt, damit die Arbeiter zwischen Wohnung und Arbeit möglichst wenig Zeit verlieren. Allmählich wird es hügelig und wir passieren viele und zum Teil recht lange Tunnels. Lanzhou liegt auf etwa 1500m und die Temperaturen sind mit 25°C nicht mehr ganz so drückend wie in Xi’an und Beijing. Der Führer ist eine halbe Stunde zu spät, das stört in aber nicht weiter. Nach den ersten Eindrücken auf der Fahrt ins Zentrum hat er auch sonst noch etwas Verbesserungspotenzial.

Nachdem wir etwa dreimal um den Block gekurvt sind, weil es mehr Baustellen als offene Strassen gibt, kommen wir zu unserem Hotel. Dort haben wir das erste Mal den Eindruck, in dem China angekommen zu sein, das wir von früher her kennen. Das tête-à-tête Diner nehmen wir in einem für etwa 15 Leute ausgelegten Privatraum ein, richtig cosy! Das Essen ist super, auch wenn es sich auf dem riesigen Drehteller etwas verliert. Am Ende wünscht die beste aller Ehefrauen einen Espresso (in Lanzhou!), worauf wir kurzerhand aus dem Raum hinausgeleitet werden. So trinken wir halt den mitgebrachten Whisky in unserem Zimmer, genau so gut und viel gesünder als Espresso.

19.5.18 Am gelben Fluss

 

Wir erwachen mit toller Aussicht aus dem Hotelfenster:

Nach einem Grosskampf am Morgenbuffet, wo man nur etwas zu Essen bekommt, wenn man sämtliche Hemmungen ablegt, passieren wir auf der ewig erscheinenden Fahrt durch die Stadt Dutzende von Moscheen. Ein grosser Teil der lokalen Bevölkerung sind Muslime. Wir fahren über einen ersten kleinen Pass auf etwa 2300m.ü.M. In der kahlen Landschaft gibt es nur wenig Landwirtschaft, ab zu sehen wir ein paar Schafe. Vor einer Baustelle bei einer Brücke mit Gegenverkehr bildet sich ein gigantischer Stau. Wir stehen und stehen und eine Zeitlang bewegt sich der Verkehr nur in der Gegenrichtung. Als eine Weile nichts mehr entgegen kommt, hat ein schlauer Autofahrer hinter uns die glorreiche Idee, es sei jetzt geschickt, die Kolonne zu überholen. Seinem Beispiel folgen dann viele andere, sodass das Chaos im Nu perfekt wird. Erst nach einer guten Stunde kommen wir weiter. Bei einem riesigen Staudamm durchqueren wir eine kleine Ortschaft. Der Unterschied zwischen den mondänen, lauten Grossstädten und dem Leben hier in der Provinz ist enorm. Nach einer weiteren Stunde schlängeln wir uns auf immer kleiner werdenden Wegen durch Mais-, Weizen-, Knoblauch- und Tomatenfelder und finden nach ein paar Anläufen schliesslich unseren Bootssteg, von wo aus wir per Speedboat über den Gelben Fluss preschen.

Auf der gegenüber liegenden Seite besichtigen wir die Höhlengrotten von Bingling Si, wo wir neben einem Riesen-Buddha auch viele schöne, z.T. mehr als 1500 Jahre alte kleinere Buddha-Statuen sehen. Vor der Rückfahrt schlürfen wir im Gästeraum des schaukelnden Bootsanlegeflosses eine Schale kalte Nudeln, möglichst geräuschvoll, weil höflich! Nicht schlecht, aber es gibt auch besseres. Der Bootsführer demonstriert uns sein Können mit einer Schlangenlinien-Fahrt über den See, sodass sich ab und zu ein richtiger Schwall Wasser über das Schiff ergiesst. Vor der Weiterfahrt kommen wir noch in den Genuss eines Privatkonzerts, das ein Mann seinen Kollegen mit einer Art Geige darbietet.

Dann müssen wir weiter und schon bald kommen wir auf die Autobahn. Bei einer riesigen, mehr oder weniger menschenleeren Raststätte machen wir eine Harmonie-Pause (= Pipi-Halt). Durch viele Tunnels hindurch, vorbei an vielen weiteren Moscheen, einem mehr oder weniger harmlosen Verkehrsunfall und einem ersten kleineren Kloster kommen wir dann gegen Abend nach Labrang auf fast 3000m. Wie gestern ist das Hotel nur schwer zu finden (Baustelle, ist ja klar).


Wir unternehmen noch einen kleinen Abendspaziergang entlang der Hauptstrasse, wo Yvonne die Bekanntschaft eines anfangs niedlichen, später kampflustigen Schafes macht. Mönche hat es hier wie Sand am Meer, offensichtlich leben im nahen Kloster insgesamt mehr als 1000 von ihnen.

20.5.18 Labrang - Tongren

 

Frühmorgens ist die gute Göttergattin noch unpässlich: die Höhe setzt ihr etwas zu. So mache ich mich mit unserem Guide Tse-Ting allein auf den Weg zum Kloster Labrang. Eigentlich ist dieses seit neustem ab 08:00 nur für Tibeter und ab 09.00 auch für Chinesen und Mongolen offen. Erst ab 10:00 dürfen Langnasen hinein. Tse-Ting handelt allerdings irgendeinen Spezialdeal aus und so müssen wir nicht bis 10:00 warten. Westliche Touristen hat es sowieso keine hier, beide Tage sehen wir keinen einzigen Europäer oder Amerikaner. Nicht dass wir das besonders schlimm finden würden. Wir hängen uns an eine chinesische Gruppe an, die von einem Mönch zu einzelnen Highlights der riesigen Klosteranlage geführt wird. Damit ist sichergestellt, dass ich kein Wort verstehe, denn das Englisch unseres Guides ist trotz mehreren Jahren Englisch-Studium an der Universität auf einem ausgesprochen bescheidenen Level. Die wichtigen Informationen kann man ja im Reiseführer nachlesen und was letztlich vielmehr zählt, ist der Eindruck. Dieser ist überwältigend, die klaren Farben der Gebäude, das Gemurmel der Gläubigen und der leicht beissende Geruch von verbranntem Reisig und Jakbutter-Kerzen ergeben ein wahrhaft mystisches Eindrucksbild. Fotografieren ist im Innern der Gebäude nicht erlaubt, sodass es nur ausnahmsweise mal ein Bild gibt, wenn der Finger ausgerutscht ist.

Nach der Klosterbesichtigung holen wir Yvonne im Hotel ab, in der Zwischenzeit ist sie wieder einigermassen bei den Leuten. Wir passieren weite, grüne Flächen, auf denen Yaks und Schafe weiden, überqueren einen Pass auf fast 4000m und kommen danach weiter unten durch ein Tal, in dem viel Gemüse angebaut wird. In Guashizexiang (muss man weder aussprechen können noch sich merken) kaufen wir Joghurt ein, das man unbedingt probieren müsse, weil es tibetanische Weltklasse sei (es schmeckt tatsächlich sehr gut). Bei einem extrem farbenfrohen, neu erstellten Chörten (Stupa) in Wutunxiahuangcun (cooler Name!) legen wir einen eigentlich nur kurz geplanten Fotostop ein. Dann werden wir aber motiviert, doch auch das dahinter liegende alte Kloster zu besuchen. Wir bekommen durch einen der Mönche eine Privattour durch die schöne Anlage mit vielen Buddhas, Bildern, Teppichen und vielen anderen Kunst- und Dekorationsgegegenständen. Nach einer Nudelsuppenpause besichtigen wir als letztes noch das Longwu-Kloster von Tongren, das vor allem wegen seine Malereien berühmt ist.

21.5.18: Kumbum-Kloster im Regen




Heute können wir wieder mal ausschlafen, es geht erst um 09:00 Uhr auf die Piste. Vorher gibt es noch ein chinesisches Frühstück in der Banketthalle. Dieses schmeckt insgesamt ganz gut. Bei grauem Himmel und Regen fahren wir dann los, unterwegs ist von grünen Weiden und Yak-Herden nicht viel zu sehen, die Viecher werden offensichtlich auch nicht gerne nass. So verläuft die Fahrt zum Kumbum-Jampaling Kloster, einem der wichtigsten im Tibet, ziemlich ereignislos. Etwa 2km vor dem Kloster werden wir zur Verhinderung eines Verkehrschaos in einen Bus umplatziert. Der Touristen-Rummel hält sich ziemlich in Grenzen, auch Touristen haben es lieber trocken. Die Pilger lassen sich allerdings nicht davon abhalten, all die vielen Tempel, Hallen und Chörten zu umrunden. Einen Mönch sehen wir, der seine Umrundungsleistung mit einem Schrittzähler misst. Es ist davon auszugehen, dass er damit in seinem Streben nach einer Wiedergeburt auf dem nächsthöheren Level deutlich schneller vorankommt. Die verschiedenen Tempel, Studiensäle und Versammlungshallen sind extrem eindrücklich und in buntesten Farben aufwändigst dekoriert. Vor den Buddhas murmeln die Gläubigen und Mönche ihre Gebete in monotonen Litaneien und durch alles zieht sich das bereits bekannte Geruchsgemisch von Reisigrauch und Yakbutter-Kerzenduft. Faszinierend sind auch die Skulpturen aus Yakbutter, die in diesem Kloster hinter Glas gekühlt werden, damit sie nicht so schnell wegschmelzen.

Mitte Nachmittag gibt es ein spätes Mittagessen, das reicht dann gerade auch für den Znacht. Danach haben wir noch viel Zeit, die wir nutzen wollen, um eine zusätzliche SD-Karte zu kaufen. Man stellt sich vor, dass in einem Land, das für die ganze Welt High-Tech produziert und wo jedermann mit einem Handy herumrennt, der Kauf eines Standard-Speicherprodukts kein grosses Thema ist, insbesondere nicht in einer 3-Millionen-Stadt. Weit gefehlt: unser Führer telefoniert in gefühlte 100 Läden, bis er schliesslich erfolgreich ist. Der Kauf dort ist allerdings immer noch schwierig, weil man gemäss unserem Fahrer nirgends parkieren kann und wir deshalb im abendlichen Stossverkehr am Strassenrand warten, bis die Verkäuferin uns nach ca. 15 Minuten gefunden hat. Aber letztlich zählt nur das Resultat! Danach geht es dann weiter zum brandneuen Bahnhof, wo wir wie üblich viel zu früh eintreffen. Wir kaufen noch etwas Proviant ein, falls der Speisewagen nicht den Erwartungen entsprechen sollte und warten dann, bis man zur Zugfahrt einchecken kann. Wir haben ein Vierer-Abteil für uns alleine, was extrem angenehm ist. Eigenartig ist, dass wir nach einer Woche praktisch ohne westliche Touristen plötzlich links und rechts wieder Schweizerdeutsch hören.

22.5.18: Lhasa-Bahn




Pünktlich um 20:30 sind wir in Xining losgefahren. Leider ist es gerade dunkel geworden, sodass man von der Landschaft zwischen Xining und Golmud nichts sieht. Die ganze Nacht durch ruckelt der Zug über die Schienen und gewinnt dabei laufend an Höhe. Zwischendurch erwachen wir bei einem Bahnhofshalt, insgesamt schlafen wir aber sehr gut. Kurz nach 6 Uhr wird es hell. Die Bahnstrecke verläuft neben der Strasse, auf der die grossen LKW’s kriechen. Wir sind nun auf etwa 4500m, das ist auch für die stärksten Motoren eine Herausforderung. Die Landschaft ist öd und flach, später erhoben sich im Westen ein paar kleinere Berge, ab und zu sieht man in der Ferne einige Schneegipfel. Immer wieder fahren wir an kleinen Herden von wilden Eseln vorbei, wir fragen uns, wo sie auf diesem kargen Boden etwas zu fressen finden. Sobald ein Ansatz von Grün vorhanden ist, hat es Yak- und Schafherden, zwischendurch sieht man eine einfache Nomadensiedlung. Alle 2-3 Stunden passieren wir eine etwas grössere Siedlung.
Im Restaurantwagen gibt es für rund 4 Franken ein chinesisches Frühstück mit Aussicht. Langsam wird die parallel verlaufende Strasse immer schlechter. Für die Federung der Lastwagen ist das wohl nicht besonders toll. Kurz vor 12 Uhr kommen wir nach Tang Gu La, auf 5086m.ü.M. der höchste Bahnhof der Welt. Danach geht es zunächst ein paar hundert Meter hinunter und die Landschaft wird etwas abwechslungsreicher. Schon bald kommen wir am Tso Nak See vorbei, der spiegelglatt und tiefblau neben uns liegt. Dann wird es Zeit für eine Nudelsuppe aus dem Proviant, den wir gestern Abend in Xining gekauft haben. Fast wie selbst gekocht!
Gegen Ende der Zugfahrt tauchen dann auch verschiedene gewaltige Bergriesen auf, die auch höchst spektakulär sind, wenn sie nicht 8000m und höher sind. Etwa eine Stunde vor Lhasa geht es dann bergab: von ca. 4700m auf 3650m. Um 17:30 treffen wir dank Sauerstoffzufuhr im Eisenbahnwagen fit und munter im noch recht warmen Lhasa ein. Während 21 Std. haben wir 1960km zurückgelegt.

23.5.18: Jokhang und Sera

 

Das wichtigste Pilgerziel und das Nationalheiligtum des Tibet ist der Jokhang. Um ihn herum pulsiert das religiöse Leben förmlich. Rund um diesen ältesten Tempel im Zentrum der Altstadt verläuft der Bakor, der heilige Umrundungsweg (Kora). Heerscharen von Pilgern begehen ihn im Uhrzeigersinn. Einige von ihnen tun dies nicht einfach zu Fuss, sondern werfen sich, durch Leder an Brust, Bauch und Knien geschützt, der Länge nach ein ums andere Mal hin, bis der rund 800m lange Ritualweg absolviert ist. Vor dem Jokhang stehen die Pilger in langen Schlangen an, um die Heiligtümer im Innern zu besuchen. Wir lassen uns trotz dem enormen Touristenstrom in diese mystische Welt hineinziehen und geniessen die Atmosphäre der surrenden Gebetsmühlen, des Gemurmels der Suren, des betörenden Rauchs und des dichten Drängels der Gläubigen. Natürlich absolvieren auch wir den Bakor, der rundum gesäumt ist von unzähligen Verkaufsläden mit allerlei Souvenirs, Schmuck und religiösen Utensilien.

Nach dem Mittagessen statten wir einem Tibeter, der lange in Deutschland und der Schweiz gelebt hat, einen Besuch ab. Bei ihm gibt es nicht nur Yvonne‘s heiss ersehnten Espresso sondern auch hervorragendes Kunsthandwerk. Wir erstehen ein schönes, grosses Mandala. Ob wir dessen ganze Bedeutung begriffen haben, werden wir in einem Test zuhause überprüfen müssen. Der Besitzer freut sich nicht nur über das getätigte Geschäft sondern auch darüber, dass er sein Schweizerdeutsch wieder einmal brauchen kann. Anschliessend bummeln wir durch eine Einkaufsgasse für die Einheimischen und besichtigen den relativ kleinen Ramoche-Tempel, das nach dem Jokhang wichtigste Heiligtum der Innenstadt.

Dann holt uns unser Fahrer ab und wir fahren etwas 5km nordwärts zum Kloster Sera, in dem heute immer noch etwa 800 Mönche leben. Das faszinierendste an dieser grossen Klosterstadt ist der nachmittägliche Diskurs der Mönche im Debattierhof. In Zweiergruppen wird heftig und lautstark diskutiert: einer der beiden Mönche sitzt am Boden und muss die Fragen seines stehenden Gegenübers beantworten. Je nach Antwort klatscht der stehende Mönch auf die eine oder andere Art in seine Hände. Bei den vielen Zweiergruppen entsteht so ein Lärm, der von weither wie sich ständig wiederholende Peitschenhiebe tönt. Der Video dazu findet sich im YouTube: Debattierende Mönche.

24.5.18: Kloster Drepung und Potala-Palast

 

Mitten in der Nacht, d.h. um 08:00 müssen wir auf die Piste. Der Tagesablauf wird durch die strikt organisierten Besuchszeiten im Potala-Palast bestimmt. Das bedeutet, dass wir zuerst das Kloster Drepung besuchen, etwa 8km westlich des Stadtzentrums von Lhasa. Man glaubt es kaum, aber die Anlage ist noch praktisch menschenleer und ausserdem leuchten die Gebäude mit ihren goldenen Spitzen und Türmchen herrlich im frühen Morgenlicht. Das Kloster wurde 1416 gegründet, beheimatete einmal rund 10‘000 Mönche und diente dem 5. Dalai Lama bis zur Fertigstellung des ersten Teils des Potala-Palastes im Jahr 1648 als Residenz. Neben der Pracht der vielen Tempel und Hallen ist von hier aus auch die Aussicht auf das Flusstal sehr schön. Gemütlich steigen wir viele Stufen rauf und runter, wechseln vom einen Tempel zum nächsten und begreifen wieder ein oder zwei Details mehr vom tibetanischen Buddhismus. In der grossen Küche schauen wir ein paar Mönchen beim Reiskochen zu. In der grossen Versammlungshalle wird gerade Opfergeld gezählt und wir wundern uns, welche Mengen an Banknoten die Gläubigen während eines Tages offensichtlich spenden. Auf dem Rückweg nach Lhasa besuchen wir auch noch kurz das ehemalige Staatsorakel Nechung. Auch weise Leute wie die Dalai Lamas benötigen offenbar den Rat von Orakeln bei wichtigen staatspolitischen Entscheiden.

Wir pirschen uns für unsere Potala-Tour von Süden her an und gewinnen vom grossen Potala-Platz her einen ersten Überblick über das gewaltige Bauwerk. Danach kraxeln wir in der Mittagshitze die ca. 300 Stufen zum Palasteingang hoch. Unsere Ankunft müssen wir punktgenau timen, damit wir wirklich zu der uns zugewiesenen Zeit von 12:40 Uhr beim Eingang sind. Ab dann haben wir genau 60 Minuten Zeit für die Besichtigung des prachtvollen Gebäudes, das offenbar über 999 Räume verfügt. Wunderschöne Hallen, Zimmer und Tempel haben dem 5. bis 13. Dalai Lama gedient. 8 der Dalai Lamas sind auch hier begraben worden. Der Weg hinunter ist ähnlich anstrengend und so sind wir froh, als wir endlich zu einem späten Mittagessen in einem etwas reinigungsbedürftigen, aber gemütlichen tibetischen Restaurant kommen.

Anschliessend machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Sommerpalast einiger Dalai Lamas. Einerseits tragen aber die Füsse nicht mehr gleich gut wie am Morgen, andrerseits sind die Gebäude nicht mehr ganz so spektakulär wie die bisher besuchten. So sind wir schnell wieder auf dem Rückweg in die Stadt. In einem nicht ganz einfach zu findenden Handicraft-Shop schauen wir uns noch nach brauchbaren Souvenirs um, lassen das Geld aber ausnahmsweise in der Tasche, weil wir nicht etwas wirklich Gescheites finden. Der Rückweg durch das Muslimquartier zeigt uns noch eine neue Perspektive der tibetischen Hauptstadt und nach weiteren 15-2o Minuten sind wir dann zurück im Hotel.

25.5.18: Kloster Ganden und Einsiedlerhöhlen Drayerpa

 

Wir sind froh, dass wir am Morgen dem Touristenchaos im Restaurant entweichen können: zuwenig Platz, zuwenig Geschirr, Kaffeemaschine kaputt und jeder hier ist der Wichtigste. Und durch alles hindurch drängt sich einem noch eine geballte Ladung westeuropäischer Weisheiten auf. Auf einer brandneuen Autobahn (für einmal kostenlos) geht es zügig ca. 50km Richtung Osten. Nach dem Verlassen der Autobahn geht es bald in unzähligen Serpentinen steil nach oben. Das Kloster Ganden lehnt sich auf rund 4300m Höhe wie ein Amphitheater an das dahinterliegende Gebirge. Von hier oben ist der Blick hinunter ins Kyi Chu-Flusstal herrlich. Das Kloster, welches das Gründungskloster der wichtigen Gelugpa-Schule ist, wurde während der Kulturrevolution durch Maos Volksarmee systematisch zerstört. Vor etwa 40 Jahren wurden dann von den ursprünglich 200 Gebäuden 50 wieder im ursprünglichen Stil aufgebaut. Für uns Laien fällt dies aber heute kaum mehr auf, auch so ist die Anlage schlicht grandios.

Nachdem wir ein paar Gebetsfahnen erhandelt haben, schlängeln wir uns wieder ins Tal hinunter, überqueren nach etwa 20km den Fluss und fahren nach einem weiteren der vielen Polizei-Checkpoints auf der anderen Talseite wieder hoch den Berg hinauf nach Drayerpa. Dort machen wir im „Aussichtsrestaurant" des Klosters unsere Mittagspause. Als einzige westliche Touristen sind wir hier eine ziemliche Attraktion. Frisch gestärkt kraxeln wir dann in der dünnen Luft nochmals mehr als hundert Höhenmeter die steilen Treppen hinauf und besuchen die als Mediationshöhlen verwendeten Grotten. Der Prunk in diesen Grottenkapellen ist nicht derart enorm wie in den anderen Klöstern, der Eindruck ist nicht zuletzt wegen der tollen Aussicht trotzdem grandios.

Auf dem Heimweg überqueren wir einen kleinen Pass, der mit tausenden von bunten Gebetsfahnen geschmückt ist. Zurück in Lhasa kaufen wir nach einigen Anläufen ein tolles Thanka mit der Lebensgeschichte von Buddha, trinken ein Bier hoch über dem Bakor-Umgang, essen in einem einfachen tibetischen Restaurant und schlendern dann im perfekten warmen Abendlicht mitten durch die Altstadt zurück zu unserem Hotel.

26.5.18: Ab auf‘s Land




Auf der ersten Autobahn des Tibet (die ca. 2006 eröffnet wurde) geht es zügig Richtung Südwesten. Ein brandneuer Tunnel erspart einen Umweg von ca. 25km. Dann kommen wir auf die Weiterführung der Autobahn, die nicht mal in Google Maps aufgeführt ist. Parallel zur Strasse wird an einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut, die ca. ab nächstem Jahr Chengu mit Lhasa verbinden soll. Für diese Strecke werden dann nur noch 13 Stunden gebraucht. Das Tal des Brahmaputra, der hier allerdings noch Yarlung Tsampo heisst, ist bereits recht breit, der Fluss schlängelt sich ziemlich unkontrolliert von Ost nach West und bringt mit seinem Geschiebe sehr viel Sand mit. Dieser Sand wird durch die v.a. im Winter starken Winde verbrachtet, sodass das Flussufer eine veritable Wüste mit recht hohen Dünen ist. Auf etwa halbem Weg überqueren wir das Tal und fahren nach Süden zur Besichtigung des Kloster Mindroling. Dieses liegt etwas oberhalb des Dorfes, wurde im 17. Jahrhundert gegründet und gilt als das wichtigste Kloster der Nyingma-Schule (die sich auf einen indischen Tantra-Yogi bezieht). In der grossen Versammlungshalle wird gerade ein Gebet der Mönche abgehalten, mit viel faszinierendem Singsang, Gebimmel und Trommelschlag.

Zurück im Haupttal fahren wir wieder auf die Nordseite des Yarlong Tsampo und kommen schon bald nach Samye, dem ältesten Kloster in ganz Tibet. Die vielen Hallen, Tempel und Chörten sind in Form eines Mandalas angelegt. Nach einem Mittagessen im Klosterrestaurant drehen wir eine Runde bei den Hauptsehenswürdigkeiten. Auch hier wird gerade eine Puja (Gemeinschaftsgebet mit Opfern) durchgeführt. Vor allem die grossen Trompeten erzeugen einen ohrenbetäubenden Lärm. Wenn danach nur noch das Gemurmel der Mönche zu hören ist, ist es fast schon ruhig.

Auf der ziemlich kurzen Fahrt nach Tsetang überqueren wir einen kleinen Pass, auf dem in traditioneller Manier hunderte von Gebetsfahnen über und neben der Strasse aufgespannt sind. In Tsetang, einer Stadt mit gut 30‘000 Einwohnern müssen wir in einem riesigen Polizeigebäude eine für diese Region gültige Bewilligung einholen. Man bekommt den Eindruck, dass hier mehr Polizisten arbeiten, als die Stadt Einwohner hat. Wir würden eigentlich gerne die Tempelburg Yumbulhakhang im Süden dieser ehemaligen tibetischen Hauptstadt besichtigen, wegen Umbauarbeiten ist diese aber geschlossen. Auf dem Rückweg ins Stadtzentrum machen wir noch einen Stop im Kloster Tandruk Lhakhang, wo uns vor allem die vielen Pilger in den Bann ziehen, die betend, essend und plaudernd in Scharen auf den Beginn der Puja der Mönche warten.

27.5.18: 3-Pässe Fahrt

 


Wir legen heute wieder mal eine grössere Strecke zurück, ca. 300km und etliche Höhenmeter stehen auf dem Programm. Zu Beginn kommen wir auf der Autobahn nördlich des Yarlong Tsangpo zügig voran. Trotz gutem Reisetempo geniessen wir die Aussicht auf den mäandrierendem Fluss in der sandigen Landschaft. Dann überqueren wir den Fluss und schon ist die Strasse holpriger. Nach ein paar Fotostops geht es dann in die Steigung hinein, rund 1300m müssen wir hinauf. Auf der Passhöhe des Khampa La (4794m) passieren wir die bunten Girlanden der Gebetsfahnen und haben danach eine atemberaubende Aussicht auf den heiligen See Yamdrok Yumtso hinunter. Seine türkisfarbene Wasseroberfläche bietet zusammen mit dem leicht bewölkten tiefblauen Himmel und den schneebeckten Berggipfeln ein spektakuläres Bild. Wir fahren dem See entlang weiter Richtung Südwesten, halten hier und dort für ein paar Fotos und machen in Nagartse die Mittagspause in einer Touristenbeiz.

Links und rechts neben der Strasse zum Karo La-Pass werden die Berge immer höher, toll sieht vor allem der rund 7200m hohe Nöjin Kangsa aus. Auf der Passhöhe (5010m) sind wir nicht mehr weit von seinem Südgletscher entfernt. Danach geht es wieder zügig Richtung Tal, vorbei an einem grossen Stausee und nochmals über einen kleineren Pass. Nach ziemlich genau 8 Stunden Reisezeit treffen wir dann in Gyantse ein. Der Polizeiposten, auf dem wir unser nächstes Permit abstempeln lassen sollten, hat heute dicht. So werden wir das dann morgen Montag nachholen.

28.5.18: Gyantse - Shigatse

 


Heute geht es mal etwa gemütlicher zu und her, es warten nur rund 90km Distanz auf uns. Zunächst besichtigen wir den Kumbum Chörten, das einzige Bauwerk dieser Art im Tibet, das noch vollständig erhalten ist. Es handelt sich um ein begehbares dreidimensionales Mandala. Der Aussenbereich besteht aus 7 terrassenförmigen Stufen, der Innenbereich besteht aus zahnlosen kleinen Kapellen. Die Aussicht von den Terrassen ist hervorragend, aus irgendwelchen Gründen ist aber fotografieren streng verboten, resp. eine Fotoerlaubnis ist horrend teuer. Den Ausblick über die Stadt muss über hohe Treppenstufen erkauft werden, ein buchstäblich atemberaubende Sache. Pilger hat es wie Sand am Meer, die ihre Kora rund um den Chörten absolvieren. In dieser Woche findet nämlich ein Klosterfest statt, leider wird aber das grosse Thanka erst morgen ausgerollt.

Die Fahrt nach Shigatse ist relativ langweilig, alles ist flach. Wir durchqueren den „Gemüsegarten des Tibet“, in dieser Gegend wird mehr oder weniger der ganze Gemüsebedarf des Tibet produziert. In Shigatse besuchen wir nach dem Mittagessen das Kloster Tashilhunpo, das heute mit rund 800 Mönchen das grösste aktive Kloster des Tibet ist. Es ist auch der eigentliche Sitz des Panchen Lama, der allerdings mehrheitlich in Beijing lebt. Die Thematik Dalai Lama und Panchen Lama ist relativ kompliziert, sie hat bereits in der Vergangenheit zu politischen Unstimmigkeiten geführt. Dies ist leider auch heute noch so. Im Kloster ist die Zahl der Pilger noch grösser als in Gyantse. In Heerscharen und zum Teil in einem Höllentempo umrunden sie die verschiedenen Hallen und Tempel. Die grosse Umrundung findet auf dem Lingkor statt, der aussen rund um die Klostermauer führt und der zum Teil hoch über der Anlage verläuft.

29.5.2018: Im Schneetreiben zum Everest

 


Früh müssen wir raus und garstig ist das Wetter auch noch. Die Fahrt ist lang und die meiste Zeit ist die Sicht nicht sehr gut. Zweimal schneit es ausserdem recht ausgiebig, zum guten Glück setzt der Schnee auf der Strasse nicht an. So selbstverständlich ist das nicht, denn immerhin überqueren wir drei Pässe, davon liegen zwei auf gut 5200m. So gäbe es eigentlich nicht viel zu berichten, aber zwei echte Highlights gibt es dann doch.

Ungefähr in der Mitte des Wegs zweigen wir nach Süden ab und besuchen das Kloster Sakya. Dort finden gerade die Vorbereitungen für ein Klosterfest zum Vollmond statt. Die Mönche halten eine grosse Zeremonie mit Opferungen im Freien ab und die Pilger belagern jede einzelne Buddha-Statue. Die Atmosphäre ist einzigartig und wir würden noch lange bleiben wenn wir nicht weiter müssten.

Unser Führer hat uns den ganzen Tag immer wieder gesagt: von hier aus würde man den Everest sehen, wenn es nicht so viele Wolken hätte. So sind wir ziemlich illusionslos, als wir gegen Abend in Rongbuk eintreffen. Umso mehr sind wir begeistert, dass sich die Wolken doch noch verziehen und sich der heilige Berg in immer schönerem Licht zeigt. Die Bilder dürften für sich sprechen.

30.5.18: An die Nepalesische Grenze




Nach einer klaren, kalten Vollmondnacht, während der uns unsere neuen Schlafsäcke warm gehalten haben, fällt das Aufstehen etwas schwer. Der Everest lockt uns aber dann doch aus den Federn und so gibt es hier noch ein paar Bilder mehr.

Nach dem Frühstück in unserem geräumigen, recht komfortablen Zelt fahren wir früh los. Bald nach dem Base Camp biegen wir auf eine Holperpiste ab, auf der wir während ca. 70km durch eine zwar ziemlich öde, aber trotzdem tolle Landschaft rütteln. Bei Old Tingri kommen wir wieder zurück auf die Überlandstrasse. Leider hängen auch heute die Wolken wieder tief über dem Himalaya, sodass wir mehrheitlich auf die Gebirgskulisse verzichten müssen. Am Ende des Paiku Tso-Sees beginnt die Strasse wieder zu steigen und nach relativ kurzer Zeit kommen wir über einen ersten kleineren Pass (unter 5000m zählen sie nicht richtig), danach klettern wir den mit mehr als 5200m schon wesentlich bedeutenderen Tsalung La-Pass hoch. Auf der Nordseite ist das noch einigermassen bescheiden, auf der Südseite ist die Strassenführung richtig spektakulär. Serpentine reiht sich an Serpentine, sodass auf relativ kurzer Distanz bald einmal 1100 Höhenmeter „vernichtet“ sind. Nach dieser Heldentat gibt es im Kleinkaff Zonggazhen einen Nudelsuppe und dann fahren wir weiter den Berg hinab. Die Strasse folgt jetzt einer Schlucht, in der die Vegetationsfarbe bei ca. 3700m plötzlich von grau-braun auf grün wechselt. Noch geht es viele Kilometer weiter bis wir Mitte des Nachmittags im heutigen Ziel Kyerong auf ca. 2800m eintreffen.

31.5.18: Camel-Trophy nach Kathmandu


Es fängt alles ganz locker an. Nach einer Nacht in einem kalten, ungeheizten Hotel fahren wir nach einem kurzen Frühstück schon um 08:00 los und sind nach ca. 20km bereits an der Nepalesischen Grenze. Dort müssen wir als erste in einer stetig wachsenden Kolonne eine gute Stunde warten, bis sich die Chinesische Obrigkeit bequemt, uns das Verlassen des Reichs der Mitte zu gestatten. Auf der anderen Seite der Grenze erwartet uns ein kleiner Kulturschock. Ein Riesen-Chaos von Lastwagen, Pick-Ups und Jeeps, die kreuz und quer auf einer Schotterstraße warten. Irgendwie finden wir in diesem Ghetto unseren Führer und wir erledigen danach mit seiner Unterstützung die ersten Einreiseformalitäten. Danach holpern wir los. Die Strecke nach Kathmandu ist eigentlich nicht so wahnsinnig lang. 140km auf der Hauptverbindungsstrasse zum zweitwichtigsten Handelspartner von Nepal sollten auch bei sehr viel Verkehr in 2-3 Stunden zu schaffen sein. Nun gibt es Strassen, Strassen mit Schlaglöchern und eine reine Ansammlung von Schlaglöchern. Wir treffen letzteres an und so werden wir auf unseren Sitzen hin und her geworfen wie in einem Schüttelbecher. Die Strapazen werden durch eine wunderbare gebirgige und grüne Landschaft kompensiert, die uns auf der ganzen Strecke begleitet.

Unterbrochen wird der Spass alle paar Kilometer durch eine Polizei- oder Miltärkontrolle. Insgesamt zeigen wir unsere Pässe an 11 Kontrollposten und öffnen all unser Gepäck dreimal. Irgendwann im Laufe des Nachmittags beginnt es zu regnen, dann zu schütten. Die Strasse, wenn man diese überhaupt so nennen darf, verwandelt sich im Nu in eine Schlammpiste und einmal drohen wir im Dreck stecken zu bleiben. Mit letzter Not schafft es dann ein zweiter Fahrer, unseren Jeep doch noch die Steigung hochzuwürgen. Dann geht es auf der anderen Seite des Passes in einer mittleren Schlitterpartie wieder hinunter, bis wir endlich die Peripherie von Kathmandu erreicht haben. Im nachmittäglichen Verkehrschaos von Nepal’s Hauptstadt ist es zwar nicht mehr staubig oder schlammig, dafür bewegt sich sonst nichts. Für die letzten 8km brauchen wir nochmals eine volle Stunde. So lösen wir nun die Eingangsfrage: für ca. 140km haben wir heute gut 9 Stunden gebraucht. Durchgerüttelt geniessen wir danach den Abend in unserem traumhaften Hotel im traditionellen nepalesischen Stil.

1.6.18: Kathmandu

 

Wir sind wieder erholt von unserer gestrigen Schütteltrophy und wir machen uns auf, alte Erinnerungen (aus 1986) aufzufrischen. Zuerst steht die Swayambunath-Stupa auf dem Programm, mit rund 2000 Jahren die älteste Stupa in Nepal. Affen turnen in Heerscharen herum und die Augen der Stupa wachen in allen vier Himmelsrichtungen über Stadt und Land. Wir shoppen noch ein wenig bei den Souvenirverkäufern und werden dafür mit exklusiver Aussicht von der Dachterrasse des Thanka-Verkäufers belohnt.

Danach besuchen wir die Shiva Baba Schule , die unser Führer Om als freiwilliger Helfer in Organisationsfragen unterstützt. Etwa 260 Schüler werden hier vom Kindergarten bis zur Sekundarschule unterrichtet und bei Bedarf auch medizinisch betreut. 15 von ihnen sind Waisen und sind deshalb im Internat untergebracht. Ein grosser Teil von ihnen wurde von der Strasse geholt, wo sie zuvor zumeist zum Betteln angestiftet wurden. Die Kinder machen uns alle einen extrem fröhlichen Eindruck. Die meisten Lehrer machen ihrer Arbeit zu einem grossen Teil freiwillig, viele von ihnen sind Studenten. Beeindruckt sind wir neben der tollen Stimmung auch von den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder. Bereits im Kindergartenalter lernen sie neben Nepali auch Englisch und zudem etwas Deutsch, hauptsächlich weil die Schule von einer deutschen Stiftung unterstützt wird.

Das heutige Programm beenden wir in der Altstadt, wo das grosse Ausmass der Zerstörungen nach dem starken Erdbeben vor drei Jahren augenfällig ist. Die Anstrengungen zur Restaurierung sind gross, verschiedene Länder unterstützen diese Projekte. Aber es bleibt noch viel zu tun und so wird es noch eine Weile dauern, bis der frühere Zauber von Durban Square und Umgebung wieder hergestellt ist. Schön ist es hier trotzdem immer noch.

2.6.18: Abschied vom Himalaya

 

Nach einem faulen Morgen besuchen wir den Hindu-Tempel Pashupatinath. Es ist Samstag und damit Feiertag. Einmal im Leben sollte jeder gläubige Hindu an den Kopf von Shiva (hier) und an die Füße (im Ganges) pilgern. Aus diesem Grund sind Inder in Heerscharen per Bus hierhergefahren, der Ort platzt aus allen Nähten. Den Tempel dürfen nur Hindus betreten, Wessies wie wir bleiben draussen. Am nahen Fluss haben sich allerhand Priester, Heilige und solche, die so tun, als wären sie es, niedergelassen. Die Grenzen zwischen ernsthaften religiösen Zeremonien und Geldmacherei ist wohl fliessend und für uns schon gar nicht erkennbar. Entlang des ganzen Flussufers finden verschiedene Leichenverbrennungen statt, eine Zeremonie, die unmittelbar nach dem Tod durchgeführt wird. Wir verlassen den heiligen Ort wieder und fahren ein paar Kilometer im Verkehrsgewühl nach Norden, wo wir die buddhistische Bodnath-Stupa besichtigen. Die Hauptstrasse davor ist ein einziger lehmiger Sumpf, ein paar Regentropfen am frühen Morgen haben aus einer Staubpiste ein Schlammbad gemacht. Der Ortsteil hier wird auch Little Tibet genannt, denn rund um die Stupa leben ca. 200’000 Exiltibeter, die in den 50er Jahren hierher geflüchtet sind. Die Stupa ist die grösste im ganzen Land. Der Legende nach hat ein Prinz aus Versehen seinen Vater getötet und zur Sühne hat er danach die Stupa an dem Ort gebaut, wo ein durch eine Göttin freigelassener Vogel gelandet war. Rund um die Stupa reihen sich die Häuser nahtlos aneinander, auf vielen der Dächerterrassen wurde ein Restaurant errichtet, von wo aus die Sicht auf den heiligen Ort besonders spektakulär ist. Wir lassen uns in einer dieser Beizen nieder und beobachten bei Coke und Momos die zahlreichen Pilger, die die Stupa im Uhrzeigersinn umrunden.

Nun ist es Zeit aufzubrechen, wir kämpfen uns auf den verstopften Strassen zum Flugplatz durch. Über Delhi fliegen wir zurück nach Zürich, reich an vielen Begegnungen und neuen Erfahrungen.